Eine handvoll Dunkelheit
Baby. Fliegen krabbelten über seine Augen; die Mutter atmete schwer, heiser, mit offenem Mund. Ein ungesunder Glanz bedeckte ihre braunen Wangen.
»Kommt«, rief Sung-wu mit scharfer Stimme der Horde schwarzgesichtiger Kinder zu, die ihm in einigem Abstand folgten. »Ich möchte mit euch reden.«
Die Kinder erreichten ihn, die Blicke auf den Boden gerichtet, und bildeten um ihn einen stummen Kreis. Sung-wu ließ sich nieder, stellte die Aktentasche neben sich und verschränkte kunstfertig die Beine in der traditionellen Haltung, die Elron in seinem Siebten Buch des Wissens beschrieben hatte.
»Ich werde euch Fragen stellen, und ihr werdet sie beantworten«, erklärte Sung-wu. »Ihr kennt den grundlegenden Katechismus?«
Ein, zwei Arme glitten in die Höhe. Die meisten Kinder wandten unbehaglich die Augen ab.
»Erstens!« fauchte Sung-wu. »Wer bist du? Du bist das kleinste Teilchen des kosmischen Planes.
Zweitens! Was bist du? Nur ein Staubkorn in einem Ganzen, das so groß ist, daß es jegliches Vorstellungsvermögen übersteigt.
Drittens! Was ist der Sinn des Lebens? Das zu erfüllen, was von den kosmischen Mächten verlangt wird.
Viertens! Wo bist du? Auf einer Sprosse der kosmischen Leiter.
Fünftens! Wo bist du gewesen? Auf zahllosen anderen Sprossen; jede Drehung des Rades hat dich auf- oder absteigen lassen.
Sechstens! Was bestimmt die Richtung der nächsten Drehung? Dein Verhalten in dieser Manifestation.
Siebtens! Was ist richtiges Verhalten? Wenn man sich den ewigen Mächten, den kosmischen Elementen unterwirft, die den göttlichen Plan aufgestellt haben.
Achtens! Welche Bedeutung hat das Leiden? Es läutert die Seele.
Neuntens! Welche Bedeutung hat der Tod? Er befreit den Menschen aus dieser Manifestation, damit er vielleicht eine neue Sprosse der Leiter erklimmen kann.
Zehntens ...«
Aber in diesem Moment verstummte Sung-wu. Zwei quasimenschliche Geschöpfe näherten sich ihm. Riesige, weißhäutige Gestalten, die über die kargen Felder, durch die Zwischenräume zwischen den mageren Getreidestauden schritten.
Technos – und er war ihr Ziel; seine Muskeln verkrampften sich. Kauks. Ihre Haut war bleich und ungesund, wie die von Nachtinsekten, die an der dunklen Unterseite eines Steines klebten.
Er richtete sich auf, bezwang seine Verachtung und bereitete sich darauf vor, sie zu begrüßen.
»Klarheit!« rief Sung-wu. Er konnte sie riechen, ein moschusartiger Schafsgeruch ging von ihnen aus, als sie vor ihm stehenblieben. Zwei Böcke, zwei gigantische, schwitzende Männer mit feuchter, klebriger Haut, mit Bärten und langem, ungekämmtem Haar. Sie trugen Hosen aus Segeltuch und Stiefel. Mit Entsetzen nahm Sung-wu die dichte Behaarung auf ihren Brustkörben wahr, die wie wollene Matten wirkte – Büschel wucherten in ihren Achselhöhlen, auf ihren Armen, Handgelenken, selbst auf ihren Handrücken. Vielleicht hatte Zerbrochene Feder recht; vielleicht hatte in diesen großen, ungefügen, blondhaarigen Kreaturen der Neandertaler – der falsche Mensch – überlebt. Fast konnte er den Affen sehen, der ihm aus den blauen Augen entgegenstarrte.
»Hallo«, grüßte der erste Kauk. Nach einem Moment fügte er nachdenklich hinzu: »Mein Name ist Jamison.«
»Pete Ferris«, grunzte der andere. Keiner von ihnen beiden zeigte die gewohnte Unterwürfigkeit; Sung-wu blinzelte, aber es gelang ihm, seine Abscheu zu unterdrücken. War es eine bewußte, versteckte Beleidigung oder nur Gleichgültigkeit? Es war schwer zu sagen; in den unteren Klassen gab es, wie Chai behauptete, eine häßliche Unterströmung aus Neid und Groll und sogar Feindseligkeit.
»Ich mache nur eine Routineuntersuchung«, erklärte Sung-wu. »Es geht um die Geburts- und Todesraten in den umliegenden Gebieten. Ich werde ein paar Tage hierbleiben. Können Sie mir eine Unterkunft besorgen? Vielleicht in einem öffentlichen Gasthaus oder in einem Wohnheim?«
Die beiden Kauks schwiegen eine Weile. »Warum?« fragte dann einer von ihnen grob.
Sung-wu blinzelte. »Warum? Warum was?«
»Warum führen Sie diese Untersuchung durch? Wenn Sie irgendwelche Informationen benötigen, werden wir sie Ihnen besorgen.«
Sung-wu war fassungslos. »Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie sprechen? Ich bin ein Barde! Sie stehen zehn Klassen unter mir, und wie können Sie es dann wagen ...« Er zitterte vor Zorn. In diesen abgelegenen Gebieten hatten die Technos vollkommen vergessen, was für einen niedrigen Status sie besaßen. Was war mit den
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