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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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örtlichen Barden? Ließen Sie etwa tatenlos zu, daß das System zusammenbrach?
    Er erbebte heftig bei der Vorstellung, daß sich die Technos und Bauern und Geschäftsleute vermischen konnten – und sogar untereinander heiraten und an den gleichen Orten essen und trinken. Die gesamte Struktur der Gesellschaft würde zerstört werden. Der Gedanke, daß alle die gleichen Fahrzeuge und die gleichen Häuser benutzen durften, überstieg seine Vorstellungskraft. Plötzlich blitzte ein alptraumhaftes Bild in ihm auf, und Sung-wu sah die Technos mit Frauen aus der Barden- und Poeten-Klasse zusammenleben und sie heiraten. Er sah eine horizontal aufgebaute Gesellschaft, in der alle Personen auf derselben Stufe standen, und Entsetzen befiel ihn. Dies verstieß gegen die Gesetze des Kosmos, gegen den göttlichen Plan; es war wie in der Zeit des Wahnsinns. Er schauderte.
    »Wo befindet sich der Manager dieses Gebietes?« fragte er. »Bringen Sie mich zu ihm; ich werde persönlich mit ihm reden.«
    Die beiden Kauks drehten sich um und bewegten sich wortlos in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Nach einem Moment der Verärgerung folgte Sung-wu ihnen.
    Sie führten ihn über die kargen Felder und öde, erodierte Hügel, die vollkommen unfruchtbar waren; die Ruinen wurden immer dichter. Am Rande der Stadt erhoben sich eine Anzahl kleiner Dörfer; er entdeckte schiefe, wacklige Holzhütten und lehmige Straßen. Von den Dörfern ging ein durchdringender Gestank aus, der Gestank von Abfall und Tod.
    Schlafende Hunde lagen vor den Hütten; Kinder tobten und spielten im Schmutz und im verrottenden Unrat. Ein paar alte Männer und Frauen saßen mit leeren Gesichtern und trüben Augen auf ihren Veranden. Hühner staksten umher, und er sah Schweine und magere Katzen – und die allgegenwärtigen rostigen Metallrohre, die manchmal fast zehn Meter hoch waren. Überall türmten sich Berge aus rotem Schutt auf.
    Hinter den Dörfern breiteten sich die Ruinen aus – endlose Kilometer verfallender Trümmer, skelettierter Gebäude, Betonwände, Badewannen und Röhren, verschachtelter Hügel aus Autowracks. All dies stammte noch aus der Zeit des Wahnsinns, der Periode, die zu den dunkelsten in der Geschichte der Menschheit zählte. Die fünf Jahrhunderte des Wahnsinns und der Unreife hießen nun das Zeitalter der Häresie, da der Mensch gegen den göttlichen Plan verstoßen und sein Schicksal selbst in die Hände genommen hatte.
    Sie erreichten eine größere Hütte, ein zweistöckiges Holzhaus. Die Kauks stiegen eine baufällige Treppe hinauf; die Bretter knackten und gaben bedrohlich unter ihren schweren Stiefeln nach. Nervös folgte Sung-wu ihnen; sie traten auf eine Veranda, auf eine Art Balkon.
    Auf dem Balkon saß ein Mann, ein korpulenter, kupferhäutiger Beamter mit offener Hose, das schwarzglänzende Haar zurückgekämmt und in seinem feisten roten Nacken zu einem Zopf geflochten, in dem ein Knochen steckte. Seine Nase war groß und hervorstehend, sein Gesicht platt und faltig. Er trank Zitronensaft aus einem Zinnbecher und blickte hinunter auf die schlammige Straße. Als die beiden Kauks erschienen, richtete er sich langsam und mit ungeheurer Anstrengung auf.
    »Dieser Mann«, erklärte der Kauk namens Jamison und deutete auf Sung-wu, »möchte mit Ihnen sprechen.«
    Sung-wu trat wütend vor. »Ich bin ein Barde aus der Zentralkammer; erkennen Ihre Leute dies zumindest?« Er schob seine Robe auseinander und zeigte ihnen das Symbol des Heiligen Armes, ein goldenes Amulett, in das flammendrote Streifen eingelassen waren. »Ich erwarte von Ihnen, daß Sie mich gebührend behandeln! Ich bin nicht hierhergekommen, um mich herumstoßen zu lassen ...«
    Er hatte schon zuviel gesagt; Sung-wu rang seinen Zorn nieder und umklammerte seine Aktentasche. Der fette Inder betrachtete ihn gelassen; die beiden Kauks hatten sich zur anderen Seite des Balkons begeben und sich im Schatten niedergekauert. Sie entzündeten krumme Zigaretten und wandten ihnen den Rücken zu.
    »Sie erlauben das?« fragte Sung-wu empört. »Diese ... Vermischung?«
    Der Inder zuckte die Achseln und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. »Klarheit sei mit Ihnen«, murmelte er. »Möchten Sie sich zu mir setzen?« Seine Gelassenheit wich nicht; er schien gar nicht zugehört zu haben. »Etwas Zitronensaft? Oder vielleicht Kaffee? Zitronensaft ist sehr gut dafür.« Er öffnete den Mund; sein Gaumen war entzündet und geschwollen.
    »Für mich nichts«, brummte Sung-wu

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