Eine Handvoll Dunkelheit
legte er das Glas zurück in die Metallbox. „Wir werden es behalten – nicht, um es zu kopieren, sondern als Modell, als Ziel. Sie werden den Unterschied jetzt nicht begreifen, aber Sie kommen schon noch dahinter.“
Er deutete auf die ungefüge Holztasse. „Auf dieser Stufe befinden wir uns jetzt. Lachen Sie nicht darüber. Sagen Sie nicht, daß das keine Zivilisation ist. Es ist ein einfacher und roher Gegenstand, aber es ist die einzige Möglichkeit. Wir werden von da an weitermachen.“
Er griff nach dem Klumpen, der Kopie, die der Biltong zurückgelassen hatte. Nach einem Moment des Nachdenkens schleuderte er ihn fort. Der Klumpen prallte auf dem Boden auf, rollte weiter und zersprang in tausend Teile.
„Das ist nichts“, erklärte Dawes. „Die Tasse ist besser. Sie steht dem Steuben-Glas näher als jede Kopie.“
„Bestimmt sind Sie stolz auf ihre kleine Holztasse“, bemerkte Fergesson.
„Teufel auch, das bin ich“, versicherte Dawes, als er die Tasse neben dem Steuben-Glas in die Metallbox legte. „Sie werden das schon verstehen, irgendwann in naher Zukunft. Es wird eine Weile dauern, aber Sie schaffen das schon.“ Er wollte die Schachtel schließen, zögerte dann und berührte das Ronson-Feuerzeug.
Widerstrebend schüttelte er den Kopf. „Nicht zu unseren Lebzeiten“, sagte er und schloß die Box. „Zu viele Schritte liegen dazwischen.“ Plötzlich begann sein hageres Gesicht in freudiger Erwartung zu glühen. „Aber, bei Gott, wir werden es schaffen!“
Was die Toten sagen
(WHAT THE DEAD MEN SAY)
1
Der Leichnam von Louis Sarapis, eingeschweißt in einer durchsichtigen, bruchsicheren Plastikkapsel, war bereits seit einer Woche ausgestellt und hatte sehr viel Echo in der Öffentlichkeit gefunden. Endlose Menschenschlangen schoben sich mit dem üblichen Geschluchze an ihm vorbei, bedrückte Gesichter, bekümmerte ältliche Frauen in schwarzer Trauerkleidung.
In einer Ecke des großen Auditoriums, in dem der Sarg aufgebahrt war, wartete Johnny Barefoot ungeduldig auf seine Chance, bis zu Sarapis’ Leichnam vordringen zu können. Aber er hatte nicht vor, ihn sich lediglich anzuschauen; seine Aufgabe, in Sarapis’ Testament ausführlich beschrieben, war von gänzlich anderer Art. Als Sarapis’ PR-Manager oblag es ihm – ganz einfach –, Louis Sarapis wieder zum Leben zu erwecken.
„Mist“, brummte Barefoot, sah auf seine Armbanduhr und stellte fest, daß es noch zwei Stunden dauern würde, bis sich die Türen des Auditoriums schlossen. Er war hungrig. Und die Kälte, die von der Frostpackung des Sarges ausging, ließ ihn sich von Minute zu Minute unbehaglicher fühlen.
Dann erschien seine Frau Sarah Belle mit einer Thermoskanne voll heißem Kaffee. „Hier, Johnny.“ Sie streckte die Hand aus und strich ihm das schwarze, glänzende Chiricahua-Haar aus der Stirn. „Du siehst schlecht aus.“
„Ja“, nickte er. „Das hier ist zuviel für mich. Ich mochte ihn schon nicht, als er noch am Leben war – und so gefällt er mir auch nicht besser.“ Er sah hinüber zu dem Sarg und der Zweierreihe der Trauernden.
„Nil nisi bonum“, sagte Sarah Belle leise.
Er sah sie an und war nicht sicher, was sie damit meinte. Zweifellos eine fremde Sprache. Sarah Belle hatte die Universität besucht.
„Um Thumper Rabbit zu zitieren“, fuhr Sarah Belle fort und lächelte freundlich, „wenn du nichts Gutes sagen kannst, dann sage überhaupt nichts.“ Sie fügte hinzu: „Das ist aus Bambi, einem alten Filmklassiker. Hättest du zusammen mit mir die Vorlesungen an jedem Montagabend im Museum für Moderne Kunst besucht …“
„Hör zu“, bat Johnny Barefoot verzweifelt, „ich möchte diesen alten Bastard nicht wieder zum Leben erwecken, Sarah Belle; wie habe ich mich nur dazu bereiterklären können? Ich war überzeugt, mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun zu haben, als ihn die Embolie umwarf.“ Aber es war anders gekommen.
„Dreh ihm den Hahn zu“, riet Sarah Belle.
„W-was?“
Sie lachte. „Bist du dafür zu feige? Schalte die Stromversorgung der Frostpackung aus, und er wird auftauen. Dann ist’s vorbei mit der Wiederauferstehung, stimmt’s?“ Amüsiert funkelten ihre blaugrauen Augen. „Ich glaube, du fürchtest dich vor ihm. Armer Johnny.“ Sie berührte seinen Arm. „Ich sollte mich von dir trennen, aber ich werde es nicht tun; du brauchst eine Mama, die sich um dich kümmert.“
„Es ist falsch“, erklärte er. „Louis ist vollkommen hilflos,
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