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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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eingefroren in diesem Sarg. Es wäre – unmännlich, so zu handeln.“
    Ernst sagte Sarah Belle: „Aber eines Tages, früher oder später, wirst du dich ihm entgegenstellen müssen, Johnny. Und wenn er zum Halbleben erwacht ist, wirst du im Vorteil sein. Vielleicht klappt es dann; vielleicht bringst du es unversehrt hinter dich.“ Sie wandte sich ab und ging davon, wegen der Kälte die Hände tief in den Taschen vergraben.
    Düster setzte Johnny eine Zigarette in Brand und lehnte sich an die Wand. Natürlich hatte seine Frau recht. Ein Halblebender war für einen lebenden Menschen bei einer direkten körperlichen Konfrontation keine Gefahr. Und dennoch – er schrak davor zurück, denn seit seiner Kindheit hatte er Ehrfurcht vor Louis verspürt, der die 3-4-Linie, die kommerzielle Schiffsverbindung zwischen Erde und Mars, beherrscht hatte, als wäre er ein Modellraketen-Fan, der in seinem Keller Spielzeugschiffe über ein Pappmachebrett schob. Und jetzt, bei seinem Tod, in seinem siebzigsten Lebensjahr, kontrollierte der alte Mann durch die Wilhelmina Securities mehr als hundert abhängige – und unabhängige – Firmen auf beiden Planeten. Der Wert seines Besitzes konnte nicht ermittelt werden, selbst nicht durch die Steuerbehörden; tatsächlich war es sogar den Steuerexperten der Regierung nicht ratsam erschienen, dies zu versuchen.
    Es ist wegen meiner Kinder, dachte Johnny; ich muß an sie denken, an Oklahoma, wo sie die Schule besuchen. Es wäre kein Problem, mit dem alten Louis zusammenzuarbeiten, wäre er kein Familienvater … nichts bedeutete ihm mehr als die beiden kleinen Mädchen, und natürlich auch Sarah Belle. Ich muß an sie denken, nicht an mich, sagte er sich, während er auf die Gelegenheit wartete, den Leichnam aus dem Sarg zu holen, wie es ihm der alte Mann befohlen hatte. Wir werden sehen. Er hat noch vermutlich ein Jahr Halbleben vor sich, und er wird diese Zeitspanne strategisch klug aufteilen wollen, sie für das Ende eines jeden Finanzjahres reservieren. Wahrscheinlich wird er sie über zwei Jahrzehnte strecken, sich hin und wieder einen Monat gönnen, und später, wenn es mit ihm zu Ende ging, vielleicht nur noch eine Woche. Und dann – Tage.
    Und schließlich würden dem alten Louis nur noch ein paar Stunden übrigbleiben; die Signale würden schwächer werden, das matte Aufflackern der elektrischen Aktivität in den tiefgefrorenen Gehirnzellen versiegen … die Worte auf dem Übertragungsschirm mußten dann verblassen und verworren werden. Und schließlich Stille, an deren Ende das Grab stand. Aber das konnte noch fünfundzwanzig Jahre dauern; man würde das Jahr 2100 schreiben, wenn die Gehirnprozesse des alten Mannes endgültig aufhörten.
    Johnny Barefoot zog hastig an seiner Zigarette und dachte zurück an den Tag, an dem er ängstlich im Personalbüro der Archimedean Enterprises herumgesessen und dem Mädchen hinter dem Schreibtisch zugemurmelt hatte, daß er einen Job wollte; er hatte einige brillante Ideen, die er verkaufen wollte, Ideen, die die Streiks beenden würden, die gewalttätigen Auseinandersetzungen am Raumhafen zwischen den konkurrierenden Gewerkschaften – Ideen, deren Essenz es war, Sarapis von der Verpflichtung zu befreien, gewerkschaftlich organisierte Arbeiter einzustellen. Es war ein schmutziges Spiel, und er hatte dies damals gewußt, aber er hatte auch recht gehabt; seine Ideen waren Gold wert. Das Mädchen hatte ihn zu Mr. Pershing, dem Personalchef, geschickt, und Pershing hatte ihn dann mit Louis Sarapis bekannt gemacht.
    „Sie meinen“, hatte Sarapis gesagt, „ich soll vom Meer aus starten?“
    „Eine Gewerkschaft ist eine nationale Organisation“, hatte Johnny erklärt. „Ohne irgendwelche Rechte auf hoher See. Aber ein Konzern ist eine internationale Organisation.“
    „Ich werde dort draußen Männer benötigen. Genauso viele wie hier, eher noch mehr. Woher soll ich die nehmen?“
    „Wenden Sie sich an Burma oder Indien oder an Malaysia“, hatte Johnny erwidert. „Nehmen Sie junge, ungelernte Arbeiter und bringen Sie sie herüber. Bilden Sie sie selbst aus und schließen Sie mit ihnen einen privaten Arbeitsvertrag. Mit anderen Worten, rechnen Sie die Kosten für ihre Passage gegen ihren Lohn auf.“ Das war moderne Leibeigenschaft. Und Louis Sarapis fand Gefallen daran. Ein kleines Imperium auf hoher See, errichtet von Menschen, die keine Rechte besaßen. Ideal.
    Sarapis hatte genau so gehandelt und Johnny für seine PR-Abteilung

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