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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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die nördliche Hälfte jetzt heißt. Unser Mann dort versucht, eine Landroute für dich auszuarbeiten, aber viele Straßen wurden zerstört, und es wird Tage dauern.«
    Während de Saint mit Don die Reiselogistik besprach, ließ Anthony die Unterhaltung weiterplätschern und stellte dankbar fest, dass nicht nur eine halbe Stunde vergangen war, in der er nicht an sie gedacht hatte, sondern dass die Story ihn reizte. Er spürte, wie Nervosität in ihm aufkeimte beim Gedanken an die Herausforderung, durch feindliches Gebiet zu kommen. Er hatte keine Angst. Wie auch? Was könnte schon Schlimmeres passieren?
    Er blätterte durch die Ordner, die de Saints Vertreter ihm aushändigte. Der politische Hintergrund; die kommunistische Hilfeleistung für die Rebellen hatte die Amerikaner erzürnt; die Hinrichtung des amerikanischen Missionars, Paul Carlson. Er enthielt die hautnahen Berichte darüber, was die Rebellen getan hatten, und Anthony biss sich auf die Zähne. Sie führten ihn zurück ins Jahr 1960 und die Wirren während Lumumbas kurzer Herrschaft. Er las sie wie aus weiter Entfernung. Er hatte das Gefühl, als würde er den Mann, der früher da draußen war – der Mann, der nach allem, was er mit angesehen hatte, am Boden zerstört war –, nicht mehr wiedererkennen.
    »Dann werden wir also morgen Flüge nach Kenia buchen, ja? Wir haben einen Insider bei Sabena, der uns Bescheid gibt, ob es Inlandsflüge in den Kongo gibt. Sonst heißt es, in Salisbury aussteigen und einen Weg über die rhodesische Grenze suchen.«
    »Wissen wir, welche Korrespondenten es dorthin geschafft haben?«
    »Es kommt nicht viel raus. Vermutlich ist die Kommunikationstechnik ein Problem. Aber Oliver hat heute einen Artikel in der Mail, und ich habe gehört, dass der Telegraph morgen groß rauskommen wird.«
    Die Tür ging auf. Cheryls Gesicht war besorgt.
    »Wir sind gerade mittendrin, Cheryl.« Don klang verärgert.
    »Verzeihung«, erwiderte sie, »aber Ihr Junge ist hier.«
    Anthony brauchte ein paar Sekunden, bis er begriff, dass sie ihn anschaute. »Mein Junge?«
    »Ich habe ihn in Dons Büro gebracht.«
    Anthony stand auf, kaum in der Lage zu verdauen, was er gehört hatte. »Entschuldigt mich einen Augenblick«, sagte er und folgte Cheryl quer durch die Redaktion.
    Da war er wieder; der Stoß, den er bei den seltenen Gelegenheiten erlebte, bei denen er Phillip zu Gesicht bekam, eine Art intuitiver Schock darüber, wie sehr er sich seit dem letzten Besuch verändert hatte, sein Wachstum ein stetiger Tadel an den abwesenden Vater.
    Innerhalb von sechs Monaten war sein Sohn um mehrere Zollbreit in die Höhe geschossen, hatte sich in die Adoleszenz geschlichen, füllte sie aber noch nicht aus. Er war vornübergebeugt und glich einem Fragezeichen. Er schaute auf, als Anthony den Raum betrat, und sein Gesicht war bleich, seine Augen rot umrandet.
    Anthony blieb stehen und versuchte, den Grund für den Kummer herauszufinden, der seinem Sohn ins blasse Gesicht geschrieben stand, und er frage sich vage: Liegt es wieder an mir? Hat er herausbekommen, was ich mir angetan habe? Bin ich in seinen Augen so ein Versager?
    »Es geht um Mutter«, sagte Phillip. Er blinzelte zornig und wischte sich mit der Hand die Nase ab.
    Anthony trat einen Schritt näher. Der Junge richtete sich auf und warf sich mit unerwarteter Heftigkeit in die Arme seines Vaters. Anthony fühlte sich gepackt, Phillips Hände klammerten sich an sein Hemd, als wollte er ihn nie wieder loslassen, und Anthony legte sacht eine Hand auf den Kopf des Jungen, während der dünne Körper von Schluchzern geschüttelt wurde.
    Der Regen auf dem Dach von Dons Wagen war so laut, dass er fast jeden Gedanken ertränkte. Fast, aber nicht ganz. In den zwanzig Minuten, in denen sie sich durch den Verkehr auf der Kensington High Street quälen mussten, hatten die beiden Männer schweigend nebeneinander gesessen, Dons tiefe Züge an seiner Zigarette waren das einzige andere Geräusch.
    »Unfall«, sagte Don und starrte auf die sich schlängelnden roten Rücklichter vor ihm. »Muss ein großer gewesen sein. Wir sollten in der Redaktion anrufen.« Er machte sich nicht die Mühe, an den Telefonzellen anzuhalten.
    Als Anthony nichts sagte, beugte Don sich vor und fummelte am Radio herum, bis das Rauschen ihn zwang, aufzugeben. Er prüfte das Ende seiner Zigarette, blies darauf und brachte es wieder zum Glühen. »De Saint sagt, wir haben immer noch morgen. Noch später, und wir müssen vier Tage auf den

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