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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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nächsten planmäßigen Flug warten.« Er sprach, als wäre eine Entscheidung zu treffen. »Du könntest fliegen, und wir ziehen dich wieder raus, wenn ihr Zustand sich verschlechtert.«
    »Der hat sich bereits verschlechtert.« Clarissas Krebs hatte schockierend schnell um sich gegriffen. »Man rechnet nicht damit, dass sie die nächsten vierzehn Tage überlebt.«
    »Verdammter Bus. Guck mal, der nimmt die doppelte Spur ein.« Don kurbelte sein Fenster herunter und warf die Zigarette auf die nasse Straße. Er wischte die Regentropfen vom Ärmel, als er das Fenster wieder schloss. »Wie ist denn eigentlich der Mann? Nicht gut?«
    »Hab ihn nur ein Mal getroffen.«
    Ich kann nicht bei ihm bleiben. Bitte, Dad, zwing mich nicht, bei ihm zu bleiben.
    Phillip hatte sich an seinen Gürtel wie an einen Rettungsring geklammert. Als Anthony ihn schließlich wieder zum Haus in Parsons Green zurückgebracht hatte, war das Gewicht der Finger noch zu spüren gewesen, nachdem er ihn längst abgeliefert hatte.
    »Tut mir sehr leid«, hatte er zu Edgar gesagt. Der Stoffhändler, älter, als Anthony erwartet hatte, war misstrauisch gewesen, als hätte in seinen Worten eine Beleidigung gelegen.
    »Ich kann nicht fort.« Jetzt waren die Worte ausgesprochen, was fast eine Erleichterung war. Als hätte er nach Jahren möglicher Begnadigungen endlich die Todesstrafe erhalten.
    Don seufzte. Es hätte Melancholie oder Erleichterung sein können. »Er ist dein Sohn.«
    »Er ist mein Sohn.« Er hatte versprochen: Ja, natürlich kannst du bei mir bleiben. Selbstverständlich. Alles wird gut. Noch als er die Worte aussprach, hatte er nicht ganz begriffen, was er preisgab.
    Der Verkehr hatte sich wieder in Bewegung gesetzt, zunächst im Schneckentempo, dann in Schrittgeschwindigkeit.
    Sie waren in Chiswick, ehe Don wieder das Wort ergriff. »Du weißt, O’Hare, es könnte funktionieren. Vielleicht ist es eine Art Geschenk. Der Himmel weiß, was dir da draußen hätte zustoßen können.«
    Don schaute ihn von der Seite an.
    »Und wer weiß? Lass den Jungen ein wenig zur Ruhe kommen … du kannst immer noch raus ins Feld ziehen. Vielleicht kann er bei uns bleiben. Lass Viv auf ihn aufpassen. Bei uns wird es ihm gefallen. Herrgott, ihr fehlen Kinder im Haus.« Ihm kam ein Gedanke. »Du musst dir selbst ein Haus suchen. Schluss mit dem Leben in Hotelzimmern.«
    Er ließ Don weiter schwadronieren, dieses rätselhafte neue Leben vor ihm ausbreiten wie Zeitungsgeschichten, vielversprechend, beruhigend, der kumpelhafte Familienvater, der auftauchte, damit es ihm besser ging, zu verbergen, was er verloren hatte, die Trommel zum Schweigen zu bringen, die noch immer irgendwo in den dunkleren Bereichen seiner Seele schlug.
    Man hatte ihm zwei Wochen Sonderurlaub wegen eines Trauerfalls gegeben, um sich eine Bleibe zu suchen und seinen Sohn durch den Tod seiner Mutter und die bittere Förmlichkeit ihrer Beerdigung zu führen. Phillip hatte in seiner Gegenwart nicht wieder geweint. Er hatte höfliche Freude über das kleine Reihenhaus im Südwesten Londons zum Ausdruck gebracht – in der Nähe seiner Schule, nicht weit von Don und Viv entfernt, die sich mit Begeisterung in ihre Rolle als angehende Tante gestürzt hatte. Jetzt saß er mit seinem erbärmlichen Koffer da, als warte er auf Anweisung für die Zukunft. Edgar rief nicht an, um zu fragen, wie es ihm gehe.
    Es war, als würde er mit einem Fremden leben. Phillip war bestrebt, ihn zufriedenzustellen, als habe er Angst, fortgeschickt zu werden. Anthony bemühte sich nach Kräften, ihm zu sagen, wie sehr er sich freue, dass sie zusammen wohnten, obwohl er insgeheim das Gefühl hatte, jemanden betrogen zu haben, etwas bekommen zu haben, das er nicht verdiente. Er war mit der überwältigenden Trauer des Jungen überfordert und bemühte sich, angesichts seiner eigenen zu funktionieren.
    Er belegte einen Schnellkurs in praktischen Fertigkeiten. Er brachte ihre Kleidung in die Wäscherei, saß beim Friseur neben Phillip. Er konnte nicht mehr kochen als ein Ei, daher gingen sie jeden Abend in ein Café am Ende der Straße, umfangreiche, herzhafte Mahlzeiten aus Steak und Kidney-Pie und zerkochtem Gemüse, dampfenden Puddings, die in Vanillesoße schwammen. Sie schoben das Essen lustlos auf ihren Tellern hin und her, und Abend für Abend verkündete Phillip, es sei »köstlich gewesen, danke«, als hätten sie einen großartigen Schmaus hinter sich. Wieder zu Hause, stand Anthony dann vor der Schlafzimmertür

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