Eine Hexe mit Geschmack
Kopf ins Wasser. »Sonst noch was?«
»Sie sagte, sie hätte mich lieb.«
Molch sah finster drein. »Das ist
alles?« »Ja.«
»Nichts für mich?« Ich schüttelte
den Kopf.
»Das ist ja wirklich toll.« Er
sprang aus dem Fass und schüttelte sich trocken. »Ich war ihr Vertrauter. Ich
habe sie einige Jahre länger gekannt als du. Und sie verletzt das
Hexenprotokoll, indem sie zugibt, dass sie dich liebt. Und sagt kein einziges
Wort zu mir. Kein >Ich werde dich vermissen< oder >Danke für deinen
jahrelangen treuen Dienst. <«
»Tut mir leid.«
»Ist schon in Ordnung. Ich bin
dran gewöhnt. So ist das als Vertrauter. Man wird immer für selbstverständlich
gehalten. Trotzdem, ich werde die alte Krähe vermissen.«
Mein Blick folgte der Blutspur von
der Hüttentür bis zu den Leichen der Mörder. Molch hatte sie alle gemacht,
bevor sie zwanzig Schritte weit gekommen waren. Ich war überrascht, dass sie es
überhaupt so weit geschafft hatten, angesichts der verstreuten Körperteile, die
Molch abgerissen hatte. Ein Ohr hier. Eine Nase dort. Ein Unterarm war mit so
viel Kraft ausgerissen worden, dass er auf das Hüttendach geschleudert worden
war. Die Leichname waren kaum noch kenntlich, zerhackt und verstümmelt wie sie
waren. Ich war beeindruckt, wie gründlich Molch sie in so kurzer Zeit erledigt hatte.
»Du hast hervorragende Arbeit
geleistet«, gratulierte ich.
Sein innerer Dämon ließ ein
erfreutes Grinsen aufblitzen, das nur durch die Tatsache geschmälert wurde,
dass er keine Zähne besaß. »Das sind die ersten Menschen, die ich getötet habe.
Einmal habe ich einen Bären erschlagen. Und ein paar Dachse. Aus reinen
Selbstverteidigungs-gründen, das kann ich dir versichern. Diese beiden waren
dagegen um einiges leichter. Wenn ich hier gewesen wäre, hätte ich sie retten
können.«
Ich widersprach ihm zwar nicht,
glaubte aber nicht daran. Etwas sagte mir, dass der Tod der Grausigen Edna
nicht hätte verhindert werden können. Vielleicht war es die Magie, die zu mir
sprach. Vielleicht auch die einfache Logik, dass meine Herrin Molch und mich
nicht fortgeschickt hätte, wenn wir ihr eine Hilfe gewesen wären.
Heute musste hier eine Hexe
sterben. Ich nahm an, das bedeutete: Ich wäre gestorben, wenn ich dort
geblieben wäre. Das konnte ich zwar nicht sicher wissen, aber ich hatte den
Verdacht, dass es stimmte. Die Grausige Edna hatte sich für mich geopfert.
Wieder fragte ich mich, ob mir die
Magie das gesagt hatte. Ich horchte. Angestrengt. Alles, was ich hörte, war der
Wind, der in den Blättern raschelte.
»Dann gehöre ich jetzt wohl dir?«,
sagte Molch.
»Ja.«
»Was nun, Herrin?« Er kicherte
leicht bei der Anrede. Ich ignorierte dies für den Augenblick.
Dann warf ich einen Blick zurück
auf die dunkle Hütte. Sie war das einzige Zuhause, das ich gekannt hatte, seit
ich aus dem modrigen Keller meiner Eltern gekrochen war. Doch jetzt schien sie
mir wie eine leere Schachtel ohne die kühle, tröstliche Anwesenheit der
Grausigen Edna. Sie zurückzulassen würde nicht so schwierig werden. Nur die
Angst davor, was außerhalb dieses Waldes lag, hielt mich zurück.
»Angst ist nichts Schlechtes«,
hatte mir die Grausige Edna einmal erklärt. »Für die gewöhnlichen Kreaturen ist
es sogar ein wichtiger Antrieb. Die Angst, gefressen zu werden oder nicht genug
zu essen zu bekommen ist der Grund dafür, warum Menschen sich in Dörfern
sammeln. Dörfer, die zu Städten werden. Städte, die zu Großstädten werden.
Großstädte, die zu Ländern werden. Länder, die zu Zivilisationen werden. Denk
daran, Kind. Selbst die größten Königreiche sind, wenn auch entfernt, auf Angst
gegründet.
Aber wir sind Hexen, und wir
gehören keiner Zivilisation an. Zumindest nicht der banalen Zivilisation der
Menschen. Wir verstehen die Angst. Wir wissen, wann wir auf ihr Wispern hören
müssen und wann wir ihr Schreien nicht beachten dürfen.«
Bei der Erinnerung daran musste
ich lächeln. Die Grausige Edna war nicht fort. Sie war jetzt immer bei mir.
Auch wenn es technisch gesehen nicht Magie war, so hätte es das doch sein
sollen.
»Wir brechen noch diese Stunde
auf. Pack deine Sachen.« ^
Molch quakte. »Sachen? Welche
Sachen? Ich bin eine Ente!«
Ich ignorierte ihn wieder und ging
hinein, um Vorbereitungen zu treffen. Ich stopfte so viel ich konnte in zwei
alte Tornister. Vor allem Kleidung, eine Handvoll Kräuter, eine kleine
Schachtel mit Hexeninstrumenten, das Medaillon, das meine Mutter an meinem
fünften
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