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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Geburtstag liebevoll die Treppe heruntergeworfen hatte, und ein
schäbiges Eichhörnchenfell, das die Grausige Edna an die Wand geheftet hatte,
um mein Zimmer zu verschönern. Hexen reisen mit leichtem Gepäck.
    Ich verbrachte den Rest der Stunde
damit, mich anzuziehen, vergrub mich unter Schichten von Kleidung. Jede Spur
der anmutigen Kreatur, die sich darunter befand, war bald zu meiner
Zufriedenheit verdeckt. Ich setzte meinen schiefen, spitzen Hut auf und
schmierte mir etwas Ruß ins Gesicht. Ich schnappte einen Besen und hielt ihn
mit dem Griff nach unten, als brauchte ich ihn, um mein Gewicht
auszubalancieren. Als abschließendes Detail wickelte ich mir einen wallenden,
speigrünen Umhang um die Schultern. Ich betrachtete mich prüfend im Spiegel. Es
war schon ausreichend, aber ich würde niemals eine so gute Hexe werden wie die
Grausige Edna.
    Dann warf ich einen letzten Blick
auf meine Herrin, die mit dem Gesicht nach unten über den Tisch ausgestreckt
lag. Diesmal benahm ich mich aber besser und weinte nicht.
    Ich humpelte aus der Hütte.
Niemand war da, der es hätte würdigen können, doch es war eine gute Übung.
Molch wartete an der Tür, und ein Rudel Wölfe hatte sich um die zerfleischten
Leichen der Mörder der Grausigen Edna versammelt. Sie waren nicht vom Geruch
des Blutes angelockt worden.
    Der Anführer, ein starkes, braunes
Tier, näherte sich. »Zeit für eine weitere Rückkehr zur Erde.«
    Mit Tieren zu sprechen war die
erste Kunst, die mich die Grausige Edna gelehrt hatte. »Sie ist drin.«
    »Sehr gut.«
    Der Anführer bellte und sein Rudel
betrat der Reihe nach die Hütte. Das Geräusch von Fleisch, das
auseinandergerissen wird, drang heraus.
    »Ich will dich um einen Gefallen
bitten. Bitte fresst diese beiden hier nicht.« Ich nickte in Richtung der toten
Mörder. »Sie haben die Ehre nicht verdient, in euren Mägen zu landen.«
    Der Wolf beugte den Kopf. »Wie du
wünschst, aber du hättest mich gar nicht erst darum bitten müssen. Sie sind
falsches Fleisch, gar keine echten Menschen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Wie ich es sage.« Er zuckte die
Achseln. »Ich kann es nicht erklären. Ich bin schließlich nur ein Wolf und
nehme die Welt nur mit den Augen eines Wolfes wahr. Und mit der Nase. Sie
riechen nicht nach Menschen. Oder nach irgendetwas Natürlichem. Ich würde sie
nicht einmal fressen, wenn ich halb verhungert wäre.«
    Eine gute Hexe achtet die Weisheit
der Tiere, und ich dankte ihm für sein Urteil.
    »Sehr gern geschehen. Mein Beileid
für deinen Verlust. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich bin
ausgehungert.«
    »Natürlich.«
    Er schritt nach drinnen und
gesellte sich zu seiner Familie und ihrem Mahl.
    Ich untersuchte die Leichen. Sie
sahen aus, als seien sie aus echtem Fleisch und Blut. Andererseits jedoch nicht
ganz. Es war bei dem Zustand, in dem Molch sie hinterlassen hatte, schwer zu
sagen, aber ich vertraute der Nase des Wolfs. Etwas Größeres war hier am Werk
als zwei Strolche, die zufällig auf eine Hütte mitten im Nirgendwo trafen.
Etwas Unheilvolleres.
    »Vielleicht solltest du versuchen,
sie wiederzuerwecken«, schlug Molch vor.
    »Zu spät. Ihre Seelen müssen schon
fort sein. Selbst wenn sie noch da wären, hast du wenig übrig gelassen, womit
ich arbeiten könnte.«
    »Entschuldige. Ich habe mich wohl
etwas hinreißen lassen.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    Er lief etwas betreten hin und
her. »Das ist der Dämon in mir. Ich kann ihn nicht immer kontrollieren.«
»Verstehe.«
    »Ich werde in Zukunft versuchen,
vorsichtiger zu sein.« »Sehr gut. Komm mit, Molch.«
    Ich entfernte mich humpelnd von
der Hütte und meinem alten Leben. Und ich sah nicht zurück.
    Wir wanderten schweigend. Der Wald
war totenstill. Vom See wehte kein Wind herüber, kein Vogel sang, nicht einmal
die Blätter raschelten. Der Wald trauerte um die Grausige Edna. Weder Molch
noch ich brachen das Schweigen. Erst nachdem der Wind zurückgekehrt war,
wussten wir, dass es der Respekt wieder erlaubte zu sprechen.
    »Hübsches Humpeln«, sagte er.
    »Danke.«
    »Hast du dich schon entschieden?
Wegen des Pfads, meine ich.«
    »Ich habe noch gar nicht richtig
drüber nachgedacht.«
    »Kein Grund zur Eile, schätze
ich.«
    Wir gingen noch eine Weile
schweigend nebeneinander her. Dabei dachte ich nicht an die Weggabelung, die
vor mir lag. Es war eine Entscheidung, zu der ich noch nicht bereit war.
    »Was würdest du tun?«, fragte ich.
    Molch hielt an. »Du fragst mich
nach meiner

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