Eine hinreißend widerspenstige Lady
indes auf, dass sie sehr wohl ihre Schuhe ausgezogen hatte, und bevor sie ihre Beine unter ihren Röcken verschwinden ließ, erhaschte er einen Blick auf ihre schmalen bestrumpften Füße.
Er bezweifelte, dass sie das absichtlich getan hatte, denn so eine Frau schien sie überhaupt nicht zu sein. Aber ihre beinah nackten Füße reizten ihn dennoch, und schon setzten die üblichen Regungen ein.
Kaum hatte sie den Mund aufgemacht, um ihm zu sagen, was sie meinte, ihm sagen zu müssen, und kaum hatte er angefangen, sich ihre Beine knöchelaufwärts auszumalen, kam Lina herbeigeeilt, den frohgemuten Burschen im Schlepptau, dem Rupert unten im Hof zugewinkt hatte.
„Berauscht!“, empörte sich die Dienerin. „Sehen Sie ihn sich an!“
Alle schauten sie Wadid an. Er lächelte und grüßte mit einem Salam.
„Den ganzen Tag hat er Haschisch geraucht - oder vielleicht war es auch Opium“, fuhr Lina fort. „Es war in seinen Tabak gemischt. Genau weiß ich es nicht, weil ein Parfüm den Geruch überdeckte. Aber ganz offensichtlich schwebt Wadid im siebten Himmel und kann uns nicht weiterhelfen.“
Rupert stand auf, stellte sich dicht vor den Torwächter und spähte in seine halb geschlossenen Augen. Wadid nickte lächelnd und sagte etwas in einem unverständlichen Singsang.
Als Rupert ihn bei den Armen packte und einen Moment hoch in die Luft hob, riss Wadid die Augen weit auf. Rupert schüttelte ihn einmal kräftig durch und ließ ihn dann wieder sinken.
Sprachlos starrte Wadid ihn an. Sein Mund ging auf und zu.
„Sagen Sie ihm, beim nächsten Mal werfe ich ihn aus dem Fenster“, sagte Rupert. „Und wenn er seine Flugkünste nicht sogleich unter Beweis stellen will, sollte er jetzt ein paar Fragen beantworten.“
Lina redete rasch auf ihn ein. Wadid stammelte ein paar Erwiderungen und warf hin und wieder einen furchtsamen Blick auf Rupert.
„Er sagt: Recht vielen Dank, lieber Herr“, verkündete Lina. „Ihm ist nun schon viel klarer im Kopf.“
„Dachte ich mir doch“, meinte Rupert und sah Mrs. Pembroke fragend an.
Ihre bemerkenswert grünen Augen waren ebenfalls weit aufgerissen. Ihr Mund, zuvor schmal und missbilligend, stand offen. Die prüde Miene hatte anscheinend nur als eine Art Korsett fungiert. Nun, davon befreit, waren ihren Lippen weich und füllig.
Am liebsten hätte er auch sie geschwind hochgehoben und ihr so außergewöhnliches Gesicht dem seinen ganz nah gebracht und sich vergewissert, wie weich ihre Lippen ...
Aber so dumm war er dann doch wieder nicht.
„Wollten Sie ihm nicht ein paar Fragen stellen?“, meinte er.
Sie blinzelte, wandte sich dann an Wadid und setzte mit einem wahren Wortschwall fremder Sprache zur Befragung an.
Wadid antwortete zögerlich.
Während es so hin und her ging, begab Rupert sich auf die Suche nach Kaffee.
Nachdem er sich in dem Gewirr der Gänge und Stufen ein paar Mal verlaufen hatte, fand er schließlich im Erdgeschoss etwas, das wie eine Küche aussah.
Der Raum schien in großer Eile verlassen worden zu sein. Rupert sah eine Schüssel mit Kichererbsen, die halb zerstampft waren. Hölzerne Gerätschaften lagen auf dem Boden, auf einem flachen Stein ein Teigballen. Auf dem Feuerrost ein Topf.
Das silberne Kaffeeservice mit den kleinen, henkellosen Tassen fand er, doch nirgends eine Spur von Kaffee.
Er trat in einen Nebenraum, der wie eine Speisekammer aussah, und fing an, Dosen und Gläser zu öffnen. Auf einmal bemerkte er eine leichte Bewegung. Hörte ein leises Rascheln. Ratten?
Rupert sah sich um. In einer dunklen Ecke standen einige große, hohe Tontöpfe. Dazwischen lugte ein Stück blauen Stoffs hervor.
Mit wenigen Schritten durchmaß er die Kammer. Der hinter den Töpfen Lauernde schoss aus seinem Versteck hervor und versuchte davonzuhuschen, aber Rupert bekam ihn am Hemdzipfel zu fassen. „Nicht so schnell, Bürschchen“, sagte er. „Erst wollen wir mal nett miteinander plaudern.“
3. KAPITEL
Man merkte es ihr nicht an, da sie ruhig und gefasst schien wie immer, doch Daphne brauchte etwas länger als Wadid, um sich von Mr. Carsingtons eindrucksvoller Kraftdarbietung zu erholen.
Wie eine Figur aus Tausendundeiner Nacht war sie sich vorgekommen, die aus Unachtsamkeit einen Flaschengeist hatte entwischen lassen. Einen großen, kraftvollen und nur schwer zu bändigenden Geist.
Sie versuchte sich auf das wenige zu konzentrieren, das sie bislang wussten, aber ihr Verstand widersetzte sich und gab ihr Stattdessen immer wieder den
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