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Eine hinreißend widerspenstige Lady

Titel: Eine hinreißend widerspenstige Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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Ausdruck in Mr. Carsingtons Gesicht ein, als sie ihren Schleier zurückgeschlagen hatte.
    Sie hätte diesen Ausdruck nicht benennen können. Er war ein Mann, der jenseits ihrer bescheidenen Erfahrungen lag. Auch ihre Gefühle konnte sie kaum benennen: ein wildes Pochen, wirre Gedanken und keine Aussicht darauf, Ordnung in dieses Durcheinander zu bringen. Nur eines wusste sie - dass die Welt wild und unvorhersehbar geworden, nicht wiederzuerkennen war und dass etwas Gefährliches begonnen hatte.
    Das war natürlich Unsinn.
    Aber sie war zu überdreht, um klar zu denken: Miles verschwunden, der wertvolle Papyrus gestohlen, das Haus verlassen, der Torwächter berauscht.
    Wenn ihr Verstand ordentlich funktionierte, glaubte Daphne nicht an Geister - weder an gute noch an schlechte.
    Und so machte sie sich daran, die Dinge logisch zu betrachten.
    Mr. Carsington war ein ganz durchschnittlicher Engländer von recht beachtlicher, aber keineswegs ungewöhnlicher Körpergröße. Er erschien ihr nur deshalb überlebensgroß, weil a) der durchschnittliche Türke oder Ägypter einen Kopf kleiner war und er b) von so muskulöser Statur war, wie man es eher bei Männern der arbeitenden Klasse vermutete, wie beispielsweise bei Hufschmieden - oder Boxern, wenngleich sie das nicht mit Gewissheit sagen konnte, da sie noch nie einen leibhaftigen Boxer gesehen hatte.
    Zudem hatte Mr. Carsington mit seiner kleinen Kraftdarbietung bewiesen, wie gut er für ihre Zwecke geeignet war. Wenn sie ihn an ihrer Seite hatte, würde ihr niemand mehr Angst machen, ihr Steine in den Weg legen oder die Unterstützung verweigern.
    Dass er ein Dummkopf war, könnte letztlich gar zu ihrem Vorteil sein, denn dann konnte er sie wenigstens nicht verwirren oder einschüchtern, wie es ihr gelehrter Gemahl nur allzu gut verstanden hatte. Und anders als Miles, würde Mr. Carsington gewiss nicht glauben, dass sie zu vergeistigt und weltfremd sei, um des Lebens harsche Wirklichkeit zu begreifen.
    Kurzum, objektiv betrachtet war Mr. Carsington geradezu perfekt.
    Nun, da mit ihrem Verstand wieder alles in Ordnung war, wandte sie sich erneut Wadid zu, der sich auch sehr willig zeigte zu reden.
    Das Problem war nur, dass er nichts wusste.
    Er wusste nicht, wer der Junge war, von dem er den Tabak hatte. Wie auch? Es gab Dutzende solcher Jungen in Kairo. Sie arbeiteten für die Kaffeehäuser, aber irgendwann liefen sie weg. Oder fanden anderswo Arbeit. Oder starben an der Pest. Wie sollte man da den Überblick behalten? Er wusste nicht, wo der Tabak herkam, aber gewiss nicht aus seinem angestammten Kaffeehaus, denn das war eines von den wenigen respektablen Kaffeehäusern in Kairo.
    Was die Frage anbelangte, wer in das Haus eingedrungen war und die Dienstboten vertrieben hatte, tappte Wadid ebenso im Dunkeln. Alles war wie ein Traum gewesen. Leute kamen und gingen - ob nun in seinem Traum oder in der Wirklichkeit, wusste er auch nicht.
    Sobald er erfuhr, dass jemand den schönen Papyrus gestohlen hatte, fing er zu weinen an und gab sich die Schuld. Er hoffe, der Herr komme bald zurück und würde ihn züchtigen.
    Aber würde die Dame bitte so gut sein, flehte er, ihrem Riesen zu sagen, dass er ihn nicht in Stücke reißen solle? Denn die Dame war überaus gütig. Hatte sie nicht Ahmed von den Toten erweckt? Kein Hauch regte sich mehr in ihm, als die Männer ihn hereintrugen, und sie gab ihm einen Zaubertrank, und, sieh da, er atmet wieder!
    Ahmed hatte natürlich auch zuvor noch geatmet, und der „Zaubertrank“ war Tee aus Daphnes kostbarem Vorrat gewesen, ein Heilmittel für alle Leiden körperlicher, geistiger oder moralischer Natur. Doch nun, da Wadid zu reden begonnen hatte, wollte er gar nicht mehr aufhören. Sie ließ ihn seinen Monolog fortsetzen und fragte sich derweil, was wohl aus „ihrem Riesen“ geworden war.
    Er blieb ziemlich lange fort.
    Wahrscheinlich war er längst ins Konsulat zurückgekehrt, dachte sie düster. Und wer könnte es ihm verübeln?
    Sie hatte zwar den Körper einer Frau, aber den Verstand eines Mannes. Die weiblichen Künste waren ihr ein größeres Geheimnis als die Hieroglyphen. Bei diesen bestand zumindest die Hoffnung, dass sie einst hinter ihr Geheimnis gelangen würde, doch was holde Weiblichkeit anging, war alles Hoffen vergebens. Virgils Bemühen, sie zu ändern, hatte wenig gefruchtet, sie nur wütend werden lassen und gegen ihn aufgebracht - ganz so, als ob sie wirklich ein Mann wäre.
    Würde sie die geheimnisvollen Künste

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