Eine hinreißend widerspenstige Lady
fand sie jedoch, was ihr Schatz genug war.
Signore Segato hatte nicht zu viel versprochen, was die Grabkammer anging. An der dunkelblau ausgemalten Decke schimmerten goldene Sterne, an den Wänden türkisfarbene Kacheln. Doch das größte Wunder war tatsächlich der Türrahmen, an dem entlang sich, in feines Flachrelief gehauen, Hieroglyphen reihten.
Wiederholt tauchte das Bild eines Falken auf, der eine Pharaonenkrone trug und auf einem rechteckigen, in zwei Quadrate unterteilten, Podest stand. Über dem Türsturz waren im oberen Feld drei Zeichen zu sehen: zuoberst das Beil, das für eine Gottheit stand, darunter das mandelförmige Zeichen, von dem sie glaubte, dass es der r-Laut war, und zuunterst eine eher seltene Hieroglyphe - ein Insekt vielleicht oder eine Blume, genau wusste sie es nicht. Das untere Feld war senkrecht viermal unterteilt. Sollten das Pfeiler sein?, fragte sie sich. Türen?
„Ist das eine Darstellung des Gottes Horus?“, ließ sich Mr. Carsingtons tiefe Stimme hinter ihr vernehmen.
Seine Stimme jagte ihr wohlige Schauder über den Rücken. Aus purem Selbstschutz schlug sie ihren pedantischen Ton an: „So scheint es. Das Zeichen darunter ist jenes, von dem Dr.Young glaubt, es stehe für Gott. Und wie Sie sehen, trägt Horus eine Pharaonenkrone, denn die Könige galten als Götter.“
„Die Signora weiß die alte Schrift zu lesen?“, erkundigte sich Signore Segato.
„Aber nein“, erwiderte Mr. Carsington. „Nur ein wenig Lektüre der alten Griechen.“
„Herodot“, sagte Daphne geschwind.
Sie musste endlich lernen, ihre Hypothesen hinsichtlich der Hieroglyphen für sich zu behalten. Wie Noxley ganz richtig bemerkt hatte, liebten die Ägypter das Geschwätz. Wenn Segato nun eine Engländerin erwähnen sollte, die Hieroglyphen lesen konnte, wüsste bald ganz Ägypten davon - einschließlich der Entführer, die es dann gewiss auch auf sie abgesehen hätten.
„Sie macht Anleihen bei Herodot und gibt viel weibliche Intuition dazu“, sagte Mr. Carsington so gönnerhaft, wie es sich für einen Mann gehörte.
Normalerweise hätte sein Ton sie wütend gemacht. Doch jetzt musste sie fast darüber lachen - vor Erleichterung wie geschickt er ihr Versehen herunterspielte.
Fast schon ironisch mutete es an, dass ausgerechnet er ihr Geheimnis besser wahren konnte als sie.
Ihr wurde bewusst, wie wenig sie ihn doch eigentlich verstand, und ganz offensichtlich verstand sie sich selbst nicht besser.
Das Einzige, wovon sie etwas zu verstehen schien, waren ihre Studien. Sie betrachtete die Hieroglyphen, die Kobra und den Geier, die Biene und das Beil. Was wohl die Halbkreise unter manchen der Figuren bedeuten mochten? Waren es Laute oder Symbole? Und während sie so grübelte und spekulierte, war alles andere rasch vergessen.
Mrs. Pembroke von den verflixten bekrönten Falken wegzulocken bedurfte geduldiger und unablässiger Überredungskunst.
Danach war Rupert allerdings gar nicht zumute.
Während er sie so ansah und ihren Ausführungen lauschte, dachte er vor allem daran, dass er sie endlich ausziehen wollte.
Da wäre einmal der berauschende Kuss, unter dessen Nachwirkungen er noch immer litt, fast wie nach einer durchzechten Nacht - wenngleich es nicht sein Kopf war, der ihn schmerzte.
Und dann das, was sie nun gerade mit ihm anstellte, obwohl er sich nicht sicher war, was genau das sein konnte.
Zwar gelang es ihr leidlich, das wahre Ausmaß ihres Wissens vor Segato zu verbergen, aber ihre Begeisterung konnte sie nicht verbergen.
Da sie schon nicht aufgeregt herumlaufen, nicht allzu offensichtlich gestikulieren, theoretisieren und sechs Sprachen gleichzeitig sprechen durfte, blieb sie meist an Ruperts Seite. Wenn sie gar nicht mehr an sich halten konnte - was alle paar Minuten geschah -, packte sie ihn beim Arm, zog ihn zu sich herab und flüsterte ihm etwas zu.
Er spürte ihren warmen Atem an Ohr und Hals und Wange und war sich bewusst, wie nah ihr Mund war und dass er nur den Kopf wenden müsste, um abermals davon zu kosten - und flimmernde Sterne zu sehen.
Aber das durfte er nicht tun. Er musste sich benehmen, denn sie waren nicht allein, und so ließ er die Flüsterfolter geduldig über sich ergehen.
Glücklicherweise war Segato Italiener, weshalb er annahm, das Geflüster sei romantischer und nicht gelehrter Natur, und taktvoll Abstand wahrte.
Diese Annahme dürfte Mrs. Pembrokes Ruf nicht gerade förderlich sein, aber die Wahrheit wäre noch verheerender.
Es ließ sich
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