Eine hinreißend widerspenstige Lady
leicht erraten, was Duvals Handlanger tun würden, wenn sie herausfanden, dass sie die falsche Person entführt hatten - sie würden Jagd auf Mrs. Pembroke machen und dabei jeden umbringen, der ihnen in den Weg käme: den Kapitän, die Mannschaft, Lina, Tom.
Wenn ihr Geheimnis herauskäme, wären sie allesamt nicht mehr sicher.
Das Geheimnis zu wahren erwies sich jedoch als schwieriger, als Rupert erwartet hatte. Denn wann immer Mrs. Pembroke einer Hieroglyphe ansichtig wurde, benahm sie sich so wie jetzt -sie erbebte wie eine Stimmgabel, ihr immenser Verstand barst schier und sprudelte all seine Geheimnisse hervor: Griechisch, Latein, Koptisch, die Namen der Gelehrten und was sie dachten, dieses Alphabet verglichen mit jenem, phonetische versus symbolische Deutung und vieles mehr.
Als sie wieder aus der Pyramide traten, neigte der Tag sich bereits dem Ende zu. Mrs. Pembroke indes war noch lange nicht am Ende.
Ihr Gefolge hatte Essen und Wasser herbeigebracht, aber sie schenkte ihnen gar keine Beachtung. Ihre Aufmerksamkeit galt einem Steinhaufen, den sie sich näher ansehen wollte.
Tom brachte Rupert seine Kleider, deren er sich während des Ritts entledigt hatte. Obwohl es schon früher Abend war, hatte die Luft sich noch nicht abgekühlt, und Rupert wollte sich erst den Sand und den Schweiß von der Haut waschen. Er schüttelte kurz den Kopf und schaute dann wieder zu Mrs. Pembroke hinüber.
Neben ihm stand Segato und bemerkte, wie ungewöhnlich es doch sei, eine Frau zu finden, die den eigenen Enthusiasmus so leidenschaftlich teile und das Ungemach der Feldforschung so freudig ertrage.
Wahrlich eine Untertreibung.
Sie musste ebenso verschwitzt, schmutzig und erschöpft sein wie Rupert. Wie er, so hatte auch sie seit heute früh nichts mehr gegessen. Doch anstatt zu den Dienstboten zu eilen, die mit stärkendem Proviant bereitstanden, inspizierte sie eine aus dem Geröll ragende Steinplatte.
Sie wischte den Sand ab, bückte sich, schüttelte missmutig den Kopf und kniete sich schließlich auf den heißen, staubigen Boden. Mit beiden Händen packte sie zu, zog kräftig und hob die Platte hoch, auf der Schriftzeichen zu erkennen waren. Eine alte Schrifttafel, wie es aussah.
Rupert sah jedoch noch etwas anderes - einen schemenhaften Umriss, der unter dem Geröll zum Vorschein kam, als sie die Tafel dagegenlehnte. Er sah die Schlange sich hoch aufrichten, und das Herz blieb ihm stehen. Mrs. Pembroke ließ sich gerade wieder auf den Knien nieder. „Nicht bewegen!“, brüllte er.
Noch während er sprach, griff er nach seinen Kleidern, die Tom so sorgsam bereithielt, ließ bis auf die Tunika alles zu Boden fallen und eilte bedachtsamen Schrittes zu der reglos verharrenden Mrs. Pembroke. Die Schlange verharrte gleichermaßen, vielleicht verwirrt durch die plötzliche Störung und unsicher, woher die Bedrohung rührte.
Auf eine Hand gestützt, lehnte Mrs. Pembroke sich so weit wie möglich zurück, die grünen Augen wie gebannt auf die Schlange gerichtet.
„Nicht bewegen“, wiederholte Rupert, nun leiser. Wie ein Stierkämpfer seinen Umhang, so hielt er die grüne Tunika vor sich und schüttelte sie leicht. Die Schlange stürzte sich kurz darauf, blieb jedoch weiter in Mrs. Pembrokes Reichweite. Das Tier spürte noch ihre Anwesenheit und empfand sie als größere Bedrohung als den sachte flatternden Stoff. Seine Wachsamkeit war nun geweckt, es lauerte und wartete. Wenn sie sich jetzt bewegte, würde es sie angreifen.
Während er leicht mit der Tunika wedelte, um die Schlange von ihr abzulenken, kam Rupert langsam näher. Als er schließlich den grünen Stoff zwischen sie und die Schlange manövriert hatte, sagte er leise: „Jetzt. Ziehen Sie sich langsam zurück.“
Sie tat wie ihr geheißen, doch die Schlange bemerkte es dennoch. Jäh ließ sie ihren geringelten Kopf vorschnellen und grub die beiden spitzen Giftzähne in die Tunika.
Mrs. Pembroke nutzte diesen Moment, sich geschwind in Sicherheit zu bringen. Sowie sie außer Reichweite der Schlange war, meinte Rupert: „In Ordnung. Jetzt können Sie auf stehen.“
Aus dem Augenwinkel sah er sie rasch aufstehen, seine Aufmerksamkeit blieb jedoch weiterhin auf die nun sichtlich gereizte Schlange gerichtet.
„Ganz ruhig, meine Liebe“, sagte er beschwichtigend. „Jetzt bist du in Sicherheit. Die neugierige Dame ist schon wieder fort. Entschuldige die Störung.“ So sprach er weiter sanft auf das aufgeschreckte Geschöpf ein, derweil er sich
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