Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
Verwandlung!
Das Haus ihrer Erinnerung, Carl Laskis Haus, war beinahe baufällig – blätternder Anstrich, faulende Balken, der Verandaboden stellenweise eingesunken. Mit den neuen Sprossenfenstern, dem frischen Anstrich und der renovierten Veranda glich die Fassade jetzt einer Hochglanzabbildung im Magazin House & Garden . Töpfe mit üppigen gelben Chrysanthemen zu beiden Seiten des Eingangs. Die Haustür, mit einem Adventskranz geschmückt, stand halb offen. Welcher Tag war heute? Der siebte Dezember? Der achte?
Agnes schwang Rucksack und Sporttasche aus orangefarbenem Nylon über die Schulter und stieg die Treppe hinauf. Zunächst sah sie einen langen Flur mit glänzend poliertem dunklem Holzboden und eine Treppe mit kunstvoll geschnitzten Pfosten, rechts war eine Rezeption, unbesetzt. Agnes stellte ihr Gepäck ab. Hinter der Rezeption hörte sie Stimmen. Die Arme auf der Brust verschränkt, ging sie langsam zum Salon auf der rechten Seite. Zwei Sofas und mehrere Sessel waren zu drei Sitzgruppen angeordnet. Agnes hätte sich am liebsten sofort hingelegt. An einem Ende des Raums war ein offener Kamin, in dem kein Feuer brannte, am anderen ein achteckiger Spieltisch aus schwarzem Holz. Einen Moment lang dachte Agnes an das alte Wohnzimmer mit den dunklen Walnußmöbeln, einem Stutzflügel an der Wand, mit Büchern und Zeitschriften, Weingläsern und Aschenbechern überall auf Tischen und Böden.
Sie ging über den Flur in einen anderen Raum. Eine Fensterfront mit Blick auf die flachen Berge in der Ferne, der Himmel darüber dunstig blau. Sie versuchte, sich zu erinnern, was für ein Zimmer das vor der Renovierung gewesen war. Carls Büro vielleicht? Sie hörte Schritte auf dem Holzfußboden und kehrte in den Flur zurück. Eine junge Frau mit dünnem blondem Haar stand hinter dem Empfangstisch und fuhr mit dem Finger die Seite eines großen Gästeregisters hinunter.
Sie hob den Kopf, als sie Agnes bemerkte. »Oh, hallo«, sagte sie. »Sie sind gerade angekommen?« Ihr Blick glitt zu der orangefarbenen Sporttasche, die in dem dezenten Vestibül grell und fehl am Platz wirkte.
Agnes nickte.
»Und darf ich fragen, wer Sie sind?«
Agnes nannte ihren Namen.
Die Frau beugte sich über das Buch und blätterte um. »Hier steht, daß ich Nora holen soll, sobald Sie ankommen. Sind Sie eine Freundin von ihr?«
»Ja«, sagte Agnes.
»Soll jemand Sie auf Ihr Zimmer bringen? Oder möchten Sie lieber warten, bis ich Nora geholt habe?«
Agnes war hin und her gerissen. Nora hatte vielleicht gerade zu tun, und ihre Ankunft kam ungelegen. Aber wäre es andererseits nicht unhöflich, nicht auf Nora zu warten?
»Ich warte auf sie«, sagte Agnes.
»Ich glaube, sie ist in der Küche.«
Agnes betrachtete wieder den Flur, während sie wartete. Sie bemerkte die Stoßleiste an der Wand und darüber eine Reihe Schwarzweißfotografien, geschmackvoll in Passepartouts und schmalen schwarzen Holzrahmen. Es waren Dorfszenen aus den zwanziger und dreißiger Jahren nach den Autos auf den Bildern zu urteilen. Ein Foto zeigte einen Drugstore, aus dem gerade eine Frau in Kostüm und Hut herauskam. Ein anderes zeigte ein Haus auf einem Hügel. Edith Whartons Haus, wenn sie sich recht erinnerte.
»Agnes!«
Sie drehte sich herum, und Nora nahm sie in die Arme.
»Laß dich ansehen!« Nora trat einen Schritt zurück.
»Mich? Da sehe ich mir lieber das Haus an«, sagte Agnes. »Nora, wie hast du das gemacht? Es ist unglaublich. Kaum wiederzuerkennen.«
»Gefällt es dir denn?«
Agnes war klar, daß Nora, die natürlich Kommentare erwartete, vielleicht auch fürchtete, an dieser Stelle empfindlich war. »Was ich bisher gesehen habe, ist wunderschön«, sagte sie ohne zu zögern, um Nora zu beruhigen. »Du mußt ja wahnsinnig gearbeitet haben.«
»Ja«, sagte Nora ohne falsches Getue. »Ja, das stimmt. Na ja, nicht ich allein. Das meiste haben der Bauunternehmer, der Architekt und die Handwerker geleistet. Aber es kommt mir vor, als hätte ich selbst jeden Nagel eingeschlagen und jede Wand abgekratzt. Komm. Ich zeige dir alles.«
Nora wandte sich der Frau am Empfang zu. »Judy, sag Dennis, er soll Agnes’ Gepäck – ist das alles?« fragte sie Agnes, und die nickte – »in Zimmer zweiundzwanzig hinaufbringen. – Ich glaube, das Zimmer wird dir gefallen«, sagte sie zu Agnes.
»Es ist also nicht mein altes?«
»Das existiert nicht mehr. Ich – ich habe mehrere kleinere Räume zu Apartments zusammenlegen lassen. Eines bekommst
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