Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Idee des Doctor Ox

Eine Idee des Doctor Ox

Titel: Eine Idee des Doctor Ox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
leben!
    – Gehen wir einmal rings um die Galerie? fragte der Rath.
    – Ja, gehen wir um die Galerie«, sagte der Bürgermeister.
    Und die beiden Freunde gingen, Einer auf den Arm des Andern gestützt wie ehemals und lange Pausen zwischen ihren Fragen und
     Antworten einhaltend, um den Altan und prüften alle Punkte des Horizonts.
    »Seit mindestens siebzehn Jahren bin ich nicht hier oben gewesen, bemerkte van Tricasse.
    – Ich glaube nicht, daß ich jemals außer heute den Thurm erstiegen habe, erwiderte Niklausse, und ich bedauere das wirklich,
     denn die Aussicht von hier oben ist erhaben schön! Sehen Sie, mein Freund, wie reizend sich der Vaar dort zwischen den Bäumen
     hinschlangelt.
    – Und weiterhin die Höhen von Saint-Hermandad! wie anmuthig grenzen sie den Horizont ab! Wie malerisch hat die Natur diese
     Gruppen grüner Bäume formirt! Ach, die Natur, die Natur,Niklausse! wie kann sich je mit ihr messen, was Menschenhand erschuf?
    – Es ist wahrhaft entzückend, mein trefflicher Freund, versetzte der Rath; sehen Sie hier diese Heerden auf der grünenden
     Wiese; diese Rinder, Kühe und Hammel ... –
    – Und diese Arbeiter auf den Feldern; man könnte sie allenfalls für arkadische Hirten halten; es fehlt ihnen nur die Schalmei!
    – Und über dem ganzen fruchtbaren Lande der schöne blaue Himmel, den kein Wölkchen trübt. Ach, Niklausse, man könnte hier
     zum Dichter werden! Ich begreife nicht, warum der heilige Simeon der Stylit nicht der größte Poet der Welt gewesen ist.
    – Vielleicht, weil seine Säule nicht hoch genug war«, meinte der Rath mit sanftem Lächeln.
    In diesem Augenblick setzte sich das Glockenspiel von Quiquendone in Bewegung, und die abgestimmten Glöckchen ließen eine
     ihrer lieblichsten Melodieen erklingen. Die beiden Freunde geriethen förmlich in Extase.
    Plötzlich hub der Bürgermeister mit seiner ruhigen Stimme an:
    »Aber, Freund Niklausse, was wollten wir eigentlich hier oben auf dem Thurme machen?
    – Ich glaube gar, fügte der Rath hinzu, wir lassen uns von unseren Träumereien hinreißen...
    – Weshalb, in aller Welt, sind wir hier heraufgegangen? fragte Herr van Tricasse noch ein Mal.
    – Doch wohl, um diese reine Luft einzuathmen, die durch menschliche Schwächen nicht verpestet wird, gab Niklausse zur Antwort.
    – So wollen wir jetzt wieder hinabsteigen, Freund Niklausse.
    – Ja, lassen Sie uns hinabsteigen, Freund Tricasse.«
    Die beiden Notabeln warfen noch einen Blick auf das wundervolle Landschaftsbild, das sich vor ihren Augen entrollte, und dann
     machten sich Beide, der Bürgermeister voran, langsamen Schrittes wieder auf den Rückweg. Rath Niklausse ging einige Stufen
     hinterher. Jetzt waren sie an dem Treppenabsatz angekommen, auf dem sie sich beim Hinaufsteigen ausgeruht hatten, und schon
     begann von Neuem ein Roth der Erregung ihre Wangen zu färben. Sie blieben einen Augenblick stehen und setzten dann mit gestärkten
     Kräften ihren Weg fort.
    Nach einer Minute wandte der Bürgermeister den Kopf und bat, daß Niklausse seine Schritte mäßigen möchte, da er ihn »genire«,
     und als Beide ungefähr zwanzig Stufen weiter gekommen waren, befahl er ihm nachdrücklich, stehen zu bleiben, damit er einen
     Vorsprung gewinnen könne.
    Niklausse erwiderte unartig, er habe keine Lust, fortwährend zu warten, bis es dem Herrn Bürgermeister gefällig sei, und ging
     ruhig weiter.
    Tricasse entgegnete nicht weniger scharf, und nun entfuhr dem gereizten Rath eine verletzende Anspielung auf das Alter des
     Bürgermeisters, der doch durch seine Familientraditionen dazu bestimmt war, noch eine zweite Hochzeit zu feiern.
    Herr van Tricasse gab seinem Rath zu verstehen, daß diese Aeußerung nicht ohne bedenkliche Folgen für ihn bleiben werde, und
     ging noch zwei Stufen weiter hinunter; nun aber verlangte Niklausse, daß er vorangehen wolle, und da die Treppe schmal und
     an dieser Stelle ganz dunkel war, mußte der dadurch herbeigeführte Zusammenstoß sehr gefährlich werden.Von den Ehrentiteln, die jetzt zwischen den beiden Herren hin und wieder flogen, nenne ich »Tölpel« und »ungehobelter Mensch«
     nur als die harmlosesten.
    »Wir werden ja sehen, Sie größter aller Dummköpfe, was für eine Rolle Sie in unserem Kriege spielen und in welcher Reihe Sie
     marschiren werden! rief der Bürgermeister.
    – Jedenfalls in der Reihe vor der Ihrigen, Sie alberner Kerl!« rief Niklausse zurück.
    Dann folgte neues Geschrei, und es klang, als ob zwei

Weitere Kostenlose Bücher