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Eine Idee des Doctor Ox

Eine Idee des Doctor Ox

Titel: Eine Idee des Doctor Ox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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der ganzen Stadt bestreiten wollte?
    Doch wohl, da er sich solche Ausgaben gestatten konnte. Aber dies ist auch die einzige Antwort, die wir auf solche indiscrete
     Frage geben können.
    Doctor Ox hatte sich seit fünf Monaten in Quiquendone niedergelassen, und zwar in Gesellschaft seines Famulus Gédéon Ygen,
     der nicht weniger lebhaft als sein Herr, aber ein großer, schmaler, hagerer Mann war.
    Weshalb nun hatte dieser Doctor Ox, und noch dazu auf seine eigene Kosten, die Beleuchtung der Stadt in Submission genommen,
     und warum gerade die Quiquendonianer, diese Flamänder aller Flamänder, auserwählt, um sie mit den Wohlthaten seiner alles
     übertreffenden Beleuchtung zu beglücken? Wollte er unter diesem Vorwande ein großes physiologisches Experiment erproben und
     so in anima vili arbeiten? Auf all diese Fragen müssen wir die Erwiderung schuldig bleiben, denn Doctor Ox hatte keinen anderen Vertrauten
     als seinen Famulus Ygen, und dieser gehorchte ihm blindlings.
    Allem Anscheine nach war aber Doctor Ox die Verpflichtung eingegangen, der Stadt eine Beleuchtung zu verschaffen, und diese
     war einer solchen bedürftig; »besonders in der Nacht«, bemerkte fein der CommissarPassauf. So war eine Anstalt für die Erzeugung des Leuchtgases hergestellt worden, die Gasometer standen bereit zum Arbeiten,
     und die Leitungsröhren, die unter dem Straßenpflaster circulirten, sollten binnen Kurzem in Gestalt von Brennern in öffentliche
     Gebäude und sogar einige Privathäuser von Freunden des Fortschritts auslaufen.
    Van Tricasse in seiner Eigenschaft als Bürgermeister, und Niklausse als Rath, wie auch einige andere Notabeln der Stadt, hatten
     geglaubt, die Einführung dieser modernen Beleuchtung in ihren Wohnungen autorisiren zu müssen.
    Wenn der Leser es während der langen Unterhaltung von Bürgermeister und Rath nicht vergessen hat, wird er sich der Bemerkung
     erinnern, daß die Stadt nicht durch die Verbrennung des gewöhnlichen Kohlenwasserstoffs beleuchtet werden sollte, den die
     Destillation der Steinkohle liefert, sondern durch Anwendung eines neueren, zwanzig Mal intensiveren Gases, des Oxyhydrogengases,
     das durch Mischung von Hydrogen und Oxygen hervorgebracht wird.
    Nun wußte aber der Doctor als geschickter Chemiker und geistreicher Physiker dies Gas in großer Masse und zu sehr wohlfeilem
     Preise zu erzeugen; nicht etwa durch Anwendung des mangansauren Natrons nach dem Verfahren des Herrn Tessié du Motay, sondern
     einfach durch Zerlegung des leicht gesäuerten Wassers vermittelst einer aus neuen Elementen zusammengesetzten und von ihm
     erfundenen Säule. Also keine kostspieligen Substanzen; kein Platina, keine Retorten, kein Brennstoff, kein empfindlicher Apparat,
     um die beiden Gase isolirt zu erzeugen. Ein elektrischer Strom durchfuhr ungeheure, mit Wasser angefüllte Kübel, und das flüssige
     Elementwurde in seine beiden wesentlichen Theile, Sauerstoff und Wasserstoff, zerlegt. Der Sauerstoff ging auf die eine, der Wasserstoff,
     in doppeltem Volumen wie sein ehemaliger Begleiter, auf die andere Seite. Beide wurden in getrennten Behältern gesammelt –
     eine sehr wesentliche Vorsichtsmaßregel, denn ihre Mischung hätte eine furchtbare Explosion hervorgerufen, so wie sie entzündet
     worden wäre. Dann sollten sie in gesonderten Röhren zu den verschiedenen Brennern geleitet werden, und diese waren in einer
     Weise construirt, die jede Explosion verhinderte. So mußte ein ganz außerordentlich glänzendes Licht entstehen, eine Flamme,
     die mit dem elektrischen Licht rivalisirt, das (wie wohl allgemein bekannt) nach den Versuchen Casselmann's dem Licht von
     genau 1171 Kerzen gleichkommt.
    Durch diese freigebige Kombination sollte die Stadt Quiquendone eine wahrhaft großartige Beleuchtung bekommen; darüber aber
     machten sich, wie wir alsbald sehen werden, Doctor Ox und sein Famulus die allergeringste Sorge.
    Am folgenden Morgen, nachdem der Commissar Passauf in so ungeheuerlicher Weise im Bürgermeisterhause erschienen war, plauderten
     Gédéon Ygen und Doctor Ox mit einander in dem Arbeitszimmer, das Beide parterre im Hauptgebäude der Anstalt inne hatten.
    »Nun, Ygen! rief Doctor Ox und rieb sich vergnügt die Hände; Sie haben gestern bei unserm Empfangsabend die guten Quiquendonianer
     kennen gelernt, diese kaltblütigen Leute, die an Lebhaftigkeit zwischen Schwämmen und Korallengewächsen die Mitte halten.
     Sie haben gesehen, wie sie sich mit Wort und Geberde

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