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Eine Idee macht noch keinen Roman

Eine Idee macht noch keinen Roman

Titel: Eine Idee macht noch keinen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Blesinger
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in einer vertikalen Position zu befinden. Ein kurzes Loslassen erbrachte keine nennenswerte Änderung, woraufhin er sich so leise wie möglich in Richtung Tür bewegte. Wenn Rebecca, oder schlimmer noch, der Weckdienst ihn hier fände, würde er eine Woche lang nicht aus dem Dementieren herauskommen. Zugegeben, er und Rebecca hatten in der Vergangenheit mal miteinander geschlafen, aber das war lange her, und wenn es schon blödes Gerede gab, sollte es bitte auch einen reellen und aktuellen Grund dafür geben.
    Auf dem Flur angekommen, genoss er die Ruhe, die momentan auf dem Schiff herrschte. Ein leichtes Summen deutete zwar an, dass sie nach wie vor flogen, jedoch war ihm bisher noch nie aufgefallen, wie still es hier sein konnte. Allerdings lag er um diese Uhrzeit auch für gewöhnlich im Bett und verließ sein Quartier erst kurz vor Beginn seines ersten Seminars.
    Diese Überlegung erinnerte ihn daran, dass er heute einen Vortrag über die Funktionsweise von Nuklearbeschleunigern halten musste. Er stöhnte leise, um sich sofort den schmerzenden Kopf zu halten. Referate waren noch nie seine Sache gewesen, besonders nicht freie Vorträge. Im Stillen beneidete er Menschen wie David, die sich ohne Weiteres vor eine Menschenmenge stellen konnten, um über etwas zu reden, wovon sie eigentlich keine Ahnung hatten. Andererseits, so überlegte er, vielleicht bewirkte der Kater, den er in ein paar Stunden mit Sicherheit haben würde, ja ein Wunder und er würde seine Nervosität aufgrund der Kopfschmerzen vergessen.
    Als er an Davids Tür vorbeikam, überlegte er eine Sekunde, ob es klug wäre, sich zu vergewissern, dass wenigstens einer von ihnen den Weg ins eigene Bett gefunden hatte, entschied sich aber dagegen. Wahrscheinlich war Sonja da, die solche überraschenden Besuche überhaupt nicht schätzte.
    Schließlich in seinem Quartier angekommen, überdachte er das Vorhaben, sich in vier Stunden vor den versammelten Kommilitonen lächerlich zu machen, noch einmal.
    Wozu denn eigentlich?
    Der Abschluss war so gut wie geschafft und es hätte schon eines Mordes oder etwas Ähnlichem bedurft, um vom Erwerb des Diploms ausgeschlossen zu werden. In den vergangenen dreieinhalb Jahren hatte er mehr geleistet, als die meisten anderen an seinem Fachbereich zusammengenommen, auch wenn das kaum einer wusste.
    Kurz entschlossen fischte er seine für den Vortrag bestimmten Unterlagen hervor und schrieb eine kurze Notiz davor:
    Hi, Rebecca! Bin krank, kann heute leider nicht vortragen. Gib das hier bitte Dr. Refsdal, ich spreche dann später mit ihm.
    Danke, Michael
    Eine Minute später hatte er das E-Heft bei Rebecca unter der Tür durch geschoben, in dem sicheren Wissen, dass diese nie und nimmer eine Sitzung sausen lassen würde, egal wie ausgeprägt der Kater war. Und er hatte nicht einmal gelogen. Wenn er sich jetzt schon so mies fühlte, waren die Symptome in ein paar Stunden wahrscheinlich mit denen einer leichten Magen-Darm-Grippe zu vergleichen.
    Leise stöhnend schloss er die Tür hinter sich, um fünf Sekunden später mit dem Gesicht nach unten auf die Matratze zu fallen.

    Als sich sein Magen zum dritten Mal bemerkbar machte, beschloss Oliver, darauf zu reagieren. Langsam aber sicher packte er seine Unterlagen ein, um sich auf den Weg in die Mensa zu machen. Das war das Schöne, wenn man einem Fachbereich angehörte, der auf einer Exkursion nicht vertreten war. Man hatte sechs Wochen Zeit, zu tun, was einem gefiel und das mitten im Semester.
    »Hey, du willst doch nicht jetzt schon gehen?!«, fragte ihn sein Nachbar, sichtlich erschüttert, als Oliver Anstalten machte, sich von seinem Platz zu erheben.
    »Doch«, meinte Oliver nach einer Weile lächelnd. »Doch. Das ist genau das, was ich will.« Während er sich an den beiden Personen vorbei schob, die zwischen ihm und dem Gang saßen, bemerkte er belustigt die Blicke, die ihm von verschiedenen Personen zugeworfen wurden. Das Spektrum reichte von geistiger Solidarität bis hin zu ernsthafter Fassungslosigkeit. Er fragte sich insgeheim, wem diese Leute etwas vormachten. Noch bevor er den Ausgang erreicht hatte, bemerkte er, dass es außergewöhnlich still geworden war in dem Raum.
    »Entschuldigen Sie«, erkundigte sich eine Stimme vom anderen Ende des Raumes, »gehen Sie aus Protest oder weil Sie was Besseres vorhaben?«
    »Was wäre Ihnen denn lieber?«, fragte Oliver zurück. Da er sich in einer Vorlesung befand, die nicht einmal annähernd etwas mit dem eigenen

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