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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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England gekrönt würde«, sagte Mr. Black.
    »Was?«, rief der Captain und vergaß für einen Moment die neu eingetroffene Kutsche. »Das würde sich doch niemand bieten lassen!«
    »Wunderbare Menschen, die Franzosen, wunderbare Menschen«, sagte Sir Geoffrey hastig und winkte. »Waren erst kürzlich unsere Verbündeten bei den unerfreulichen Ereignissen auf der Krim und so weiter, aber…«
    »Ach, in diesem Punkt sind wir die engsten Verbündeten der französischen Regierung, Sir«, sagte Mr. Black. »Trotzdem wünscht sich niemand, dass noch einmal ein Franzose irgendeinen Thron besteigt. Das wäre nicht gut für unsere gallischen Brüder. Dennoch gibt es Kreise in Frankreich, die ein solches Ansinnen hegen, und deswegen erachten wir es für alle Beteiligten als das Beste, wenn unser neuer Monarch mit geringstmöglichem Aufwand und größtmöglicher Eile nach England gebracht wird.«
    »Die haben ihren letzten König ermordet!«, rief Captain Samson, der die Gelegenheit, sich aufzuregen, nicht ungenutzt verstreichen ließ. »Mein Vater hat bei Trafalgar gegen sie gekämpft! So etwas darf nicht noch mal geschehen, Sir, um keinen Preis! Und damit spreche ich auch für meine Männer, Sir! Wir werden erneut den Rekord für die Hin- und Rückfahrt brechen!« Er blickte sich zu Sir Geoffrey um, doch der Direktor war den Steg hinuntergeeilt und kümmerte sich eifrig um zwei verhüllte Gestalten, die aus der Kutsche gestiegen waren.
    »Sind das etwa… Frauen?«, fragte der Captain, während sie das Deck der
Cutty Wren
betraten und an ihm vorbeischritten, als wäre er ohne jede Bedeutung.
    Mr. Black schüttelte etwas Schnee von seinem Umhang. »Die kleinere ist eine Magd, und demzufolge dürfte sie wohl eine Frau sein. Die größere, die Ihr Direktor gerade so beflissen umsorgt, ist eine wichtige Anteilseignerin Ihrer Reederei und – was noch viel wichtiger ist – die Mutter des Thronerben. Sie ist in der Tat eine Lady, obwohl meine begrenzte Erfahrung mit ihr darauf hindeutet, dass sie überdies eine Mischung aus Königin Boudicca ohne den Streitwagen, Katharina von Medici ohne die vergifteten Ringe und dem Hunnen Attila ohne seinen wunderbaren Sinn für Humor ist. Lassen Sie sich auf kein Kartenspiel mit ihr ein, weil sie wie ein Falschspieler vom Mississippi betrügt, geben Sie ihr keinen Sherry, und tun Sie ansonsten alles, was sie sagt. Dann werden wir diese Fahrt vielleicht überleben.«
    »Eine Frau mit scharfer Zunge, wie?«
    »Rasiermesserscharf, Captain. Nebenbei bemerkt, es könnte sein, dass wir unterwegs die Tochter des Thronerben einholen. Glücklicherweise hatte sie die Reise zu ihrem Vater bereits angetreten, bevor die Seuche ausbrach. Sie soll heute mit dem Schoner
Sweet Judy
von Kapstadt abreisen und wird über Port Advent schließlich nach Port Mercia gelangen. Der Captain ist Nathan Roberts. Ich glaube, Sie kennen ihn.«
    »Was? Der alte ›Halleluja‹ Roberts? Er treibt sich immer noch auf hoher See herum? Ein guter Mann, wohlgemerkt, einer der besten, und die
Sweet Judy
ist ein sehr schmuckes Schiff. Das Mädchen ist in besten Händen, darauf können Sie sich verlassen.« Der Captain lächelte. »Allerdings hoffe ich, dass sie Choräle mag. Ich wüsste zu gern, ob seine Besatzung immer noch zum Fluchen im Frachtraum den Kopf in ein Wasserfass stecken muss.«
    »Ein äußerst religiöser Mann, wie es scheint«, sagte Mr. Black, als sie sich auf den Weg zur warmen Hauptkajüte machten.
    »Nur ein bisschen, Sir, nur ein kleines bisschen.«
    »Wie groß ist im Fall von Captain Roberts ein ›kleines bisschen‹?«
    Captain Samson grinste. »Ach, nur etwa so groß wie Jerusalem…«
    Am anderen Ende der Welt brannte die See, heulte der Wind und brüllte die Nacht, die über der Tiefe lag.
    Es musste schon ein ungewöhnlicher Mann sein, der sich aus dem Stand einen Choral ausdenken konnte, aber Captain Roberts war ein solcher Mann. Er kannte jeden Choral im Gesangbuch der alten und neuen geistlichen Lieder und sang sie alle laut und fröhlich vor sich hin, wenn er Wache hatte, was einer der Gründe für die Meuterei gewesen war.
    Und nun, als das Ende der Welt nahte und das Firmament auch bei Tagesbeginn finster blieb, als die Feuer der Apokalypse herabregneten und die Takelage in Brand setzten, fesselte sich Captain Roberts ans Schiffsruder. Das Meer hob sich unter ihm, und er spürte, wie die
Sweet Judy
in den Himmel geschleudert wurde, als hätte eine allmächtige Hand sie ergriffen.
    Über ihm

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