Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
Vom Netzwerk:
gesagt, daß ich lernen solle, was ein Geschäftsführer alles zu tun hat, denn wenn sein Sohn das Geschäft erbt, wird er es nicht führen wollen. Ich lege alles ordnungsgemäß ab, und im Frühling kommt Signor Peruzzis Sohn und nimmt die Akten mit. Signor Peruzzi will mit alldem nichts zu tun haben.‹
    ›Ich verstehe, aber trotzdem muß ich mit ihm sprechen. Es ist sehr wichtig. Mehr kann ich leider nicht sagen, es ist vertraulich. Das verstehen Sie doch?‹
    ›Ja.‹
    ›Und werden Sie ihm sagen, daß er unbedingt herkommen soll, daß es dringend ist?‹
    ›Ja.‹
    Aber natürlich hat er die Nachricht nicht bekommen.«
    »Wie auch? Sie hatte keine Gelegenheit mehr, sie zu überbringen«, erklärte der Maresciallo. »Peruzzi hat sie nicht wiedergesehen. Sie ist an diesem Tag gestorben, obgleich wir das wohl nie mit Sicherheit wissen werden. Erinnern Sie sich noch, um welche Zeit sie die Bank verlassen hat?«
    »Nicht genau, nein, aber …« Er griff nach seinem Tischkalender und blätterte ein paar Seiten zurück. »Einundzwanzigster Mai, hier, ich habe eine Notiz gemacht. Peruzzi – damit ich nicht vergesse, die junge Frau anzusprechen, und dann hatte ich um zwölf einen Termin in der Hauptstelle. Sie kann also kaum länger als eine Viertelstunde bei mir gewesen sein. Ach du meine Güte …«
    »Was ist?«
    »Gerade ist es mir wieder eingefallen, ich habe sie in die Schalterhalle begleitet und bin dann hierher ins Büro zurückgekehrt, um die Unterlagen für meinen Termin zusammenzupacken. Als ich zum Hauptausgang hinaus bin, war sie noch immer da, sprach mit jemandem, der sie am Arm festhielt. Damals habe ich mir nichts dabei gedacht, aber wenn sie tatsächlich an diesem Tag umgebracht worden ist, dann …«
    »Haben die beiden sich gestritten?«
    »Nein, wahrscheinlich ist es völlig unwichtig.« Der Geschäftsführer der Bank wirkte ganz unglücklich. Offensichtlich bereute er es bereits, überhaupt etwas gesagt zu haben, und hätte es am liebsten gleich wieder ungeschehen gemacht.
    »Aber irgend etwas hat Sie auf die beiden aufmerksam werden lassen.«
    »Wie ich schon sagte, sie war ein hübsches, kleines Ding. Ich habe nur gesehen, daß ihr Gesicht ganz rot war, das ist alles. Sie hat geweint. Dabei hatte sie vorher einen so ruhigen und zielstrebigen Eindruck gemacht.«
    »Ich verstehe. Und war das einer Ihrer Kunden, der Mann, mit dem sie redete?«
    »Nein. Nein, das war keiner unserer Kunden. Ich habe keine Ahnung, wer er war. Ich erinnere mich nur daran, weil Sie gesagt haben … Nun ja, er trug die Uniform eines Carabiniere. Wahrscheinlich können das einige meiner Mitarbeiter bestätigen. Tut mir leid.«
    Der Maresciallo blieb einen Moment schweigend sitzen, lauschte den eigenen Atemzügen. Undeutliche Gedanken formten sich in seinem Kopf: Wie leicht entfremdet Wunschdenken uns doch der Realität; daß es nicht richtig war, Fälle zu übernehmen, in denen man selbst in irgendeiner Form emotional eingebunden war; daß der Tod Verbrechen … daß der Tod Verbrechen …
    Die Gedanken verschwanden wieder, bevor sie konkrete Formen angenommen hatten. Er holte tief Luft, fühlte sich ganz ruhig.
    Es klopfte, Lorenzini und ein Bankangestellter kamen herein.
    Bevor einer der beiden das Wort ergreifen konnte, erhob sich der Maresciallo. »Ich muß gehen.«
    Was war mit Lorenzini los, daß er ihn so anstarrte?
    »Haben Sie den Durchsuchungsbefehl? Der Geschäftsführer hier wird Ihnen für den gesamten Zeitraum ab Peruzzis Herzanfall Ausdrucke zu allen Kontobewegungen zur Verfügung stellen.«
    »Ja, aber ich muß mit Ihnen sprechen …«
    »Jetzt nicht.« Damit wandte er sich wieder dem Geschäftsführer zu. »Wahrscheinlich sind Sie schon auf den Gedanken gekommen, daß all diese finanziellen Transaktionen vielleicht statt zur Gewinnung weiterer Lebensfreuden nur der Vermeidung der Erbschaftssteuer dienten?«
    »Ja, natürlich. Als ich erfahren habe, wie krank er ist …«
    »Da haben Sie’s«, sagte der Maresciallo zu Lorenzini.
    »Wie bitte?«
    »Geld! – Ich muß jetzt gehen.«
    Der Geschäftsführer rappelte sich hoch, wirkte ein bißchen verwirrt. »Maresciallo, Durchsuchungsbefehl hin oder her. Ich hoffe doch, Sie machen Peruzzi klar, daß nicht ich derjenige war, der Sie auf eine eventuelle Steuerhinterziehung hingewiesen hat. Sie können sich doch bestimmt vorstellen …«
    »Natürlich. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Wenn es mehr nicht ist, das interessiert mich nicht im geringsten. Mich

Weitere Kostenlose Bücher