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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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nutzen wollte, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Er fühlte sich wieder wie in seinem Traum, als Akiko sich immer weiter von ihm entfernte und seine Beine schwer wie Blei wurden.
    »Ich wollte, daß Sie eine Autopsie vornehmen …« Wie konnte er das erklären? Weil Sie mit dem toten Mann reden würden, dessen Gesicht in zwei verschiedene Richtungen schaute? Er war viel zu müde, sich überhaupt irgendeinen Grund einfallen zu lassen. Glücklicherweise brauchte man sich bei Forli nie Gedanken um den eigenen Part der Konversation zu machen.
    »Ich kann in Rom anrufen, wenn Sie wollen, aber Sie wissen bereits die zwei einzigen Dinge von Bedeutung: erstens – er hat sich in Rom umgebracht. Sie wissen, daß wir jedes Jahr eine Menge solcher Fälle haben. Eine Variation von Shakespeares bekanntem Thema, was meinen Sie?«
    »Wie bitte?«
    »Ist Romeo etwa nach Rom gehastet, um sich dort zu erdolchen, als er entdeckte, daß sein Mädchen tot war? Nein, sein Körper wurde bei dem von Julia in diesem Grab in Verona entdeckt. Und Othello! Hat er etwa seine Desdemona umgebracht und ist dann nach Rom geeilt, um sich dort zu erdolchen? Ist er das?«
    »Nein.« Worum ging es hier? Verdi – damit konnte er immerhin etwas anfangen. Er versuchte, Forli zu stoppen. »Nein, er hat sich in Desdemonas Schlafzimmer umgebracht.«
    »In Venedig. Richtig. Sie müssen doch schon einige dieser Liebesdramen, Mord und Selbstmord inklusive, erlebt haben.«
    »Ein oder zwei. Sie haben natürlich recht. Aber Sie sprachen von zwei Dingen. Daß er sich in Rom umgebracht hat und …?«
    »Und daß er sich überhaupt umgebracht hat! Genau. Niemand bringt sich um, nur weil irgend etwas Schreckliches passiert ist, sonst wäre die menschliche Rasse schon längst ausgestorben. Sie bringen sich um, weil sie diese Bereitschaft zum Selbstmord in sich tragen. Leben seine Eltern noch?«
    »Sein Vater ist tot.«
    »Finden Sie heraus, wie er gestorben ist. Damals, als sie Esposito mit ins Gerichtsmedizinische Institut gebracht haben, als wir den Leichnam des Mädchens noch nicht identifiziert hatten, da wirkte er schon nicht besonders munter. Ich erinnere mich daran, daß ich ihn mir genauer betrachtet habe, weil ich in meinem Gedächtnis nach seinem Namen kramen mußte. Aber als wir dann Sachfragen diskutierten, lebte er unglaublich auf, wollte sogar dableiben und einen Blick auf ihre Lunge werfen, wenn Sie ihn gelassen hätten. Denken Sie darüber nach. Wir wußten da noch nicht, wer sie war, aber wenn er sie umgebracht hätte, hätte er Bescheid gewußt. Ich habe keine Ahnung, wie ich Ihnen mit einer Autopsie weiterhelfen könnte. Er hat sich mit seiner eigenen Beretta eine Kugel in den Kopf gejagt, sofern ich richtig informiert bin. Was wollen Sie denn noch wissen? Reden Sie lieber mit dem Hausarzt der Familie.«
    »Mit dem Hausarzt?«
    »Oder mit der Mutter. Sie werden in der Familiengeschichte fündig werden. Ein ausgezeichneter Student, aber zu eifrig. Keine Widerstandskraft, wie sie bei Ihrem Job vonnöten ist. ›Laßt fette Männer um mich sein, mit glatten Köpfen und die nachts gut schlafen.‹ So einer wie Sie selbst zum Beispiel, nicht wahr, Maresciallo?«
    Fett? Übergewichtig, das räumte er schon ein, aber doch nicht wirklich fett! Kräftig, hatte Teresa einmal gesagt und ihn dabei lachend umarmt. Fett, das war schon ziemlich unhöflich. Doch was ›nachts gut schlafen‹ anging, das wäre jetzt wirklich verlockend. Als er an der Piazza Pitti aus dem Wagen stieg, sah er vor lauter Müdigkeit alles nur noch ganz verschwommen.
    »Warten Sie hier auf mich … Nein.« Taste dich vorsichtig voran, mach die richtigen Schritte, achte auf die kleinen Details. Er durfte jetzt nichts verpatzen, nur weil er müde war. »Sie können in dieser Hitze nicht hier draußen auf mich warten. Fahren Sie zurück zur Wache, und warten Sie dort im Schatten auf mich. Ich komme nach, sobald ich hier fertig bin.«
    »Danke, Maresciallo.«
    Um diese Zeit hatte die Bank für den Kundenverkehr geschlossen. Er drückte auf die Klingel. Es war ganz ruhig dort drinnen. Die Schalterangestellten erledigten die Abrechnung.
    Dies war auch die Hausbank des Maresciallo, und obwohl Teresa alle Bankgeschäfte erledigte, kannte er den Geschäftsführer der Bank flüchtig, ein recht leutseliger Mann, doch schien er besorgt zu sein, wenn auch nicht wegen Akiko.
    »Peruzzi, ja. Kommen Sie doch bitte in mein Büro. Nehmen Sie Platz. Um ganz ehrlich zu sein, ich bin froh, daß Sie

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