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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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verärgert. Nach Peruzzis Krankheit verschlechterte sich die finanzielle Situation dramatisch, doch er erklärte mir, daß sein Vater nur noch sehr begrenzte Zeit zu leben habe und diese Zeit wolle er eben, so gut es ginge, noch in vollen Zügen genießen, was doch sehr verständlich sei. Ich habe versucht, ihm einen Rat zu geben, diskret natürlich: ›Ich kann diesen Antrag auf eine Hypothek ablehnen. Doch das ist keine gute Strategie, aber Sie haben Handlungsvollmacht und können …‹
    ›Wie könnte ich meinem Vater etwas abschlagen? Er hat vielleicht nur noch wenige Monate zu leben. Außerdem wird er mir einfach die Handlungsvollmacht entziehen, wenn ich nicht tue, was er will, wahrscheinlich kommt es dann sogar zu einem schlimmen Streit. Er kann ziemlich aufbrausend sein. Nein, nein, das steht nicht zur Diskussion.‹
    Nun ja, letzten Endes geht es ihm selbst recht gut. Wir sind zwar nicht seine Hausbank, sein Büro befindet sich drüben in der Via de’ Servi auf der anderen Seite des Arno, aber ein Steuerberater mit einem Büro in der Via de’ Servi und einer Wohnung auf dem Lugarno, dem muß es gutgehen. Und das hat er seinem Vater zu verdanken. Der hat ihn schließlich ermutigt zu studieren, hat sich nie darüber beschwert, daß er die Familientradition nicht fortführt.«
    »Er ist sehr stolz auf seinen Sohn. Es gab keinen Streit, und wie Sie sagen, hat er allen Grund, seinem Vater dankbar zu sein und jede Auseinandersetzung mit ihm zu vermeiden. Trotzdem …« Der Maresciallo schwieg einen Augenblick, beobachtete, wie die rosafarbenen Finger seines Gegenübers einen goldenen Stift drehten. »Trotzdem, so scheint es mir, geht es hier um eine Menge Geld. Und ganz im Vertrauen – denn das dürfte ich Ihnen eigentlich nicht sagen …« Das Vertrauen eines anderen zu gewinnen war ganz einfach, wenn man ihn zuerst ins Vertrauen zog oder zumindest so tat. »Mir ist aufgefallen, daß Peruzzi dieses japanische Mädchen sehr mochte. Ich weiß nicht genau, welcher Art ihre Beziehung war, aber natürlich …«
    »Peruzzi? Peruzzi?«
    »Ich weiß, ich weiß. Mir ist es genauso ergangen. Aber das Geld muß schließlich irgendwohin geflossen sein. Sie besaß kein Geld zum Ausgeben. Außerdem stand sie kurz vor der Hochzeit mit einem Offiziersanwärter aus meiner Truppe.«
    »Ich verstehe.«
    »Nein. Nein, Sie verstehen nicht. Sie hat ihn verlassen, und damit stand ich vor der Frage, ob er sie deswegen vielleicht umgebracht hat. Ich will nur klarstellen, daß hier nichts unter den Teppich gekehrt wird.«
    »Natürlich nicht.« – »Hmm, na ja. So einfach würde ich dieses ›Natürlich nicht‹ nicht stehenlassen. Solche Dinge kommen vor. Aber – und das sage ich Ihnen wieder nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit – der Mann hat sich umgebracht. Erschossen.«
    »War das der, über den sie in den Nachrichten berichtet haben?«
    »Ja. Sein Name war Esposito.«
    »Das ist er, ja. Aber das war doch in Rom, oder nicht? War er auf der Flucht? Ist das nicht am Flughafen gewesen oder so?«
    »Im Zug. In Rom, ja. Sie verstehen also, daß ich das alles hier nur tue, um den Tod dieser jungen Frau aufzuklären. Peruzzi wollte, daß die beiden heiraten. Er hat ihnen sogar finanzielle Unterstützung beim Kauf eines Hauses angeboten. Ich habe das Gefühl, daß er sich einsam fühlte. Seine Frau ist tot, sein Sohn geht eigene Wege. Wenn Akiko geheiratet, ein Kind bekommen und sich hier niedergelassen hätte, wäre das eine Art Familie für ihn gewesen. An Akiko hätte er sein Wissen weitergeben, noch einmal von vorn anfangen können. Er konnte seinen Sohn nicht enterben, das regelt das Gesetz, wollte es wohl auch nicht, denn offenbar ist er seine einzige Lebensfreude, zumindest seit Akiko nicht mehr da ist.«
    »Akiko?«
    »So hieß die junge Frau.«
    »Ach so. Nettes kleines Ding, und so hübsch.«
    »Ich frage mich, ob er in irgendeiner Form Geld für sie angelegt hat, vielleicht eine Wohnung in ihrem Namen gekauft hat. Ich muß wissen, was Sie zu ihr gesagt haben und wie sie darauf reagiert hat.«
    »Ich habe ihr nicht viel gesagt, wie auch? Das ist eine viel zu heikle Angelegenheit. Wenn sie wußte, daß er das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinauswarf, dann hat sie das sehr gut verborgen. Sie war absolut ruhig und hat keine Miene verzogen. Ich habe ihr gesagt, daß ich dringend mit Peruzzi sprechen müsse, weil er auf meine Briefe nicht reagiert.
    ›Er will nicht herkommen‹, hat sie mir erklärt. ›Er hat mir

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