Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren
erzählt:
„Eines Nachmittags pflügte ich ein Feld, während mein Vater auf der Nordseite dieses Feldes an einem Wassergraben ein Gerät reparierte. Unser alter Traktor funktionierte nicht mehr ganz richtig und konnte nur gewendet werden, indem man die Bremse eines Hinterrades zog. Wenn man also die Bremse am linken Hinterrad trat, drehte sich nur noch das rechte Hinterrad und der Traktor drehte nach links. Wenn man die rechte Bremse betätigte, wendete man dementsprechend nach rechts. Das war eigentlich logisch, aber wenn man erst zehn ist, vergisst man manchmal solche grundlegenden Dinge.
Mein Vater saß nun unmittelbar vor mir am Grabenrand und war so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er die großen Räder des Traktors nicht bemerkte, bis ich die falsche Bremse zog und der Traktor in die falsche Richtung fuhr.
Ich geriet beinahe in Panik und versuchte das alte Ding zum Halten zu bringen. Zum Glück brachte sich mein Vater jedoch in letzter Minute in Sicherheit und der schwere Traktor kam genau dort zum Stehen, wo er gesessen hatte.
Ich rechnete daraufhin mit einem gehörigen Donnerwetter, darum blieb ich mit den Händen am Steuerrad sitzen und wappnete mich für die Explosion. Stattdessen kam er jedoch ruhig auf mich zu und fragte: ,Bist du in Ordnung?‘
Ich konnte es kaum glauben. Da saß ich auf diesem riesigen Traktor, hatte meinen Vater beinahe überrollt und er fragte, ob ich okay sei! Als ich ihm antwortete, mir ginge es gut, sagte er nur: ,Das ist prima. Weißt du, was du falsch gemacht hast?‘
Ich antwortete: ,Ja, Sir.‘
Darauf er: ,Großartig. Das ist eine Lektion, die du so bald nicht vergessen wirst.‘ Dann lächelte er, tätschelte mir das Knie und sah zu, wie ich mit dem Traktor auf das Feld zurückfuhr. Anschließend kletterte er wieder in den Graben und machte sich erneut an die Arbeit.“
Clark Cothern
Erwachsen werden
Eines Tages werden sie fliegen
Für mich sind Kinder wie Papierdrachen. Man verbringt sein Leben mit dem Versuch, sie vom Boden zu bekommen. Man rennt mit ihnen, bis beide atemlos sind … sie stürzen ab … man befestigt einen längeren Schwanz daran. Man flickt und tröstet, richtet und lehrt – und versichert ihnen, dass sie eines Tages fliegen werden.
Schließlich sind sie in der Luft, aber sie brauchen mehr Schnur und man ist damit beschäftigt, sie nachzulassen. Man weiß, es wird nicht lange dauern, bis dieses wunderschöne Wesen die Lebensleine kappen, die einen miteinander verbunden hat, und schweben wird – frei und allein. Erst dann weiß man, dass man seine Aufgabe erfüllt hat.
Erma Bombeck
Unser Mädchen
„Jenna, wach auf, es ist an der Zeit, in die Schule zu gehen.“
Sie wird diese Worte noch tausendmal in ihrem Leben hören, aber an diesem Morgen hörte sie sie zum ersten Mal.
Ich setzte mich eine ganze Weile auf ihre Bettkante, bevor ich sie ansprach. Um ehrlich zu sein, wollte ich diese Worte am liebsten gar nicht aussprechen. Ich wollte sie nicht aufwecken. Ein seltsames Zögern bemächtigte sich meiner, als ich in der Dunkelheit des frühen Morgens in ihrem Zimmer saß. Und während ich dort verweilte, erkannte ich, dass meine Worte sie in einer ganz neuen Welt aufwecken würden.
Sechs kurze Jahre lang hatte sie uns gehört, uns ganz allein. Und jetzt würde sich alles ändern.
Wir haben sie am vergangenen Abend als „unser Mädchen“, das alleinige Eigentum von Mama und Papa, zu Bett gebracht. Mama und Papa lasen ihr vor, lehrten sie, hörten ihr zu. Aber mit dem heutigen Tag würde jemand anderer dazukommen.
Bis heute hatten ausschließlich Mama und Papa ihr die Tränen abgewischt und die Schuhe angezogen. Aber ab heute würde jemand anderer das auch tun.
Ich wollte sie nicht aufwecken.
Bis heute drehte sich ihr Leben im Wesentlichen um uns, um Mama, Papa und die kleine Schwester Andrea. Heute würde sich dieses Leben ausweiten – neue Freunde, eine Lehrerin kamen hinzu. Ihre Welt war dieses Haus – ihr Zimmer, ihre Spielsachen, ihre Schaukel. Heute würde ihre Welt größer werden. Sie würde die zugigen Hallen der Bildung betreten – malen, lesen, rechnen.
Ich wollte sie nicht aufwecken. Nicht wegen der Schule. Es ist eine sehr gute Schule. Nicht weil ich nicht möchte, dass sie etwas lernt. Der Himmel weiß, wie sehr ich mir wünsche, dass sie heranwächst und erwachsen wird. Nicht weil sie nicht zur Schule gehen will. In der vergangenen Woche hat sie von nichts anderem als der Schule gesprochen!
Nein, ich wollte sie
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