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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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in seinem Schlafzimmer, die sechs verschiedene Notrufleitungen darstellten, ihn nicht mehr zu retten vermochten, wie sollte ihn dann ein Glas Milch vor den Verschwörungen schützen, von denen die First Lady ständig träumte? Aber wer wollte schon mit einer First Lady diskutieren, die unablässig über ihre beengten Wohnverhältnisse und das schlechte nationale Fernsehprogramm klagte?
    General Zia schaute auf seine Armbanduhr. Würde er sich jetzt noch umziehen, käme er zu spät zum Gebet. Nicht dass es eine Rolle spielte, der Imam würde selbstverständlich auf ihn warten, aber der Jonas-Vers hatte ihm Herzklopfen verursacht, und er sehnte sich nach dem Frieden, den er in der Moschee finden würde.
    Als er das Army House durch den Seiteneingang verließ, der zur Moschee führte, salutierten die beiden dort im Schatten stehenden Wachsoldaten. Das Knallen der Stiefel auf dem Beton ließ General Zia zusammenfahren, da er in den Vers vertieft war, den er bei seinem morgendlichen Ausgang zu murmeln pflegte. Er stolperte über die Schwelle und trat einen Schritt zurück. Als er wieder hinaustrat, nickte er den Wächtern zu, anstatt zurückzusalutieren. Er wollte den Vers wiederholen, aber sein Geist war wieder zu Jonas’ unentwegtem Flehen zurückgekehrt.
    Sobald General Zia seinen Platz hinter dem Imam eingenommen hatte, begann dieser mit dem Gebet. Der ISI-Chef General Akhtar, der zu seiner Linken stand, vollzog seine Bewegungen um den Bruchteil einer Sekunde langsamer als General Zia, als ob er seinem Vorgesetzten sogar dann folgte, wenn er sich vor Allah niederwarf. Es beruhigte General Zia, dass der Mann, der ihm als ein zweites Paar Augen und Ohren diente, gemeinsam mit ihm betete. So wusste er, dass er einen Bruder im Glauben hatte und dieser Bruder bei ihm war, statt an anderer Stelle dunkle, ehrgeizige Pläne zu schmieden.
    Wie den meisten Menschen, die fünf Mal am Tag beten, fiel es Zia schwer, sich auf das eigentliche Gebet zu konzentrieren. Seine Lippen murmelten die richtigen Verse, er hob die Hände zu den Ohren, seine Knie beugten sich dem Ruf des Imams und seine Stirn berührte mit geübter Routine den Boden, dennoch verharrte sein Geist bei Jonas im Walfischbauch. Es rauschte, riesige Blasen stiegen auf, und Jonas fuchtelte in der Dunkelheit mit den Armen. Der General schluckte schwer und spürte, wie ein Schwarm kleiner Fische sich zu seinem Herzen durchnagte. Er würgte und rang nach Luft, während der Wal tiefer in die See abtauchte. General Zia rutschte durch ein Meer von Schleim, bis er an einer dicken Wand aus warmem Fleisch zum Halten kam. Das Innere des Wals hielt ihn derart in Bann, dass er einen Moment brauchte, um zu verstehen, was der Imam sagte.

    G eneral Zia war erst sechzehn Monate Oberkommandierender des Heeres gewesen, als er putschte und sich zum Obersten Kriegsrechtsverwalter einsetzte. Er war sich nicht sicher, inwieweit die acht Generäle, aus denen sein Militärrat bestand, ihm trauten oder – was noch wichtiger war – ihn achteten. Sie salutierten, bezeichneten ihn nach den Transkripten von Telefonaten, die Zia gesehen hatte, auch in ihren Privatgesprächen als Chef und führten seine Befehle aus. Doch konnte er diesem glatt rasierten, versoffenen, arroganten Haufen wirklich trauen? Bei seinem Argwohn gegenüber jedem, der mehr als zwei Sterne auf den Schultern hatte, war es verständlich, dass General Zia bei der ersten Zusammenkunft der Befehlshaber nach dem nächtlichen Putsch ein wenig zittrig war, unsicher, was die Generäle von ihm erwarteten. Sie hatten den Putsch wie ein Manöver ausgeführt, aber Zia wusste, dass er ihre Loyalität nicht als selbstverständlich voraussetzen konnte. Er würde der Katze gleich am Anfang den Garaus machen müssen.
    Diese Redewendung hatte er zum ersten Mal bei seiner Hochzeit gehört. General Zia hatte geheiratet, als er noch Hauptmann in der Panzerdivision war. Und außerdem Jungfrau. Damals hatte ihn ein Onkel mütterlicherseits beiseitegenommen und ihm ein altes persisches Sprichwort ins Ohr geflüstert: „Mach der Katze gleich den Garaus.“ Unter schmutzigem Gelächter hatte der Onkel ihn bei den Schultern gepackt und in das Zimmer geschubst, wo in Gestalt eines Bündels roter Seide die zukünftige First Lady auf ihn wartete. Zia konnte kein Persisch und sah in dieser Nacht auch keine Katze, der er den Garaus hätte

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