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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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Verurteilte sein? Zainab setzte keinerlei Hoffnung auf das Gnadengesuch, das ihr Anwalt eingereicht hatte. Ihre Mitgefangenen hatten es erörtert. Sie wussten, dass General Zia seine Meinung zwar häufig änderte, jedoch nie eine Gelegenheit versäumte, ein Gnadengesuch abzulehnen. Es hatte etwas mit einem gewissen Bhutto zu tun, dem Herrscher vor Zia. Zainab wusste, dass Bhutto nicht gesteinigt, sondern gehängt worden war. Aber was er eigentlich verbrochen hatte, wusste sie nicht. Zainab rechnete nicht mit einer Umwandlung ihres Urteils, demnach hatte die Wärterin wohl den Hinrichtungsbefehl erhalten, und nun wusste sie nicht, wie sie eine Steinigung organisieren sollte. Zainab empfand Mitleid mit ihr. Warum musste eine so nette, tüchtige Frau durch solch eine Prüfung gehen?
    Sie hörte, wie die Krähe aufgeregt mit den Flügeln schlug, doch statt davonzufliegen, ließ sie sich nieder. Wahrscheinlich hatte sie die letzten Spatzen verjagt.
    â€žZainab, in einer Zeitung ist ein Bild von dir erschienen“, sagte die Wärterin. Zainab merkte, dass sie um den heißen Brei herumredete, statt ihr den Hinrichtungsbefehl zu überbringen. „Du siehst gut darauf aus mit deiner Sonnenbrille.“
    Zainab warf das letzte Stück Brot hinaus und hoffte, die Krähe am Kopf zu treffen. Sie verfehlte sie.
    â€žDu wirst in ein anderes Gefängnis überführt. Wegen dem Bild und dem Interview, das du gegeben hast.“
    Zainab erinnerte sich an das Interview. Ihr Anwalt hatte ihr ein paar Fragen vorgelesen, und sie hatte die gleiche Geschichte erzählt, die sie vor dem Bezirksgericht, vor dem Obersten Gerichtshof, in der Berufungsverhandlung gegen das Todesurteil und ihren Mitgefangenen immer wieder erzählt hatte, ohne etwas auszulassen oder hinzuzufügen, obwohl ihr Anwalt sein Bestes getan hatte.
    â€žDein Bild wurde in Amerika gedruckt. Der Befehl, dich an einen Ort zu bringen, wo du keine Interviews geben kannst, kommt anscheinend von ganz oben.“
    Zainab hatte wenig Ahnung von Interviews oder Orten, an denen man diese geben konnte oder nicht. Sie hatte bloß erzählt, was geschehen war.
    â€žEs war dunkel, aber sie hatten Fackeln. Sie waren zu dritt. Vielleicht gab es noch einen vierten vor der Tür. Sie rochen nach Benzin, ihre Hände waren weich, also waren sie keine Bauern. Sie fesselten mich an den Händen und schlugen mich, als ich sie im Namen ihrer Schwestern, ihrer Mütter anflehte, mich gehen zu lassen. Sie waren Tiere.“
    â€žAber mir gefällt es hier“, sagte Zainab zu ihrer Wärterin. „Die junge Frau in meiner Zelle bekommt in zwei Wochen ihr Kind. Und ich habe noch mehr Freundinnen hier. Ich möchte hier leben.“
    Ihr wurde bewusst, was sie gerade gesagt hatte.
    â€žIch möchte hier sterben.“
    â€žDer Befehl kommt vom Präsidenten“, sagte die Wärterin in einem Ton, in dem sie noch nie mit Zainab gesprochen hatte und der deutlich machte, dass die Entscheidung endgültig war, endgültiger noch als das Todesurteil. Zainab spürte die Angst in ihrer Stimme und fragte sich, ob man auch die Wärterin bestrafen würde.
    Der Gedanke an ihre Freundinnen, die sie zurücklassen musste, und an die Bestrafung der Wärterin, die ihr die Sonnenbrille geschenkt hatte, überwältigte Zainab für einen Moment, und sie tat etwas, das sie noch nie getan hatte. Die Blinde Zainab, die schweigend zugehört hatte, wie ein lüsterner Richter sie zum Tode verurteilte, Zainab, die ihren Peinigern nie die Genugtuung eines Schreis gegeben hatte, Zainab, die ihr Leben damit verbracht hatte, Gott zu danken und den Menschen zu vergeben, was sie ihr antaten: Zainab schrie und Zainab fluchte.
    â€žWürmer sollen die Eingeweide des Mannes fressen, der mich aus meinem Heim reißt. Und seine Kinder sollen sein Gesicht im Tode nicht sehen.“
    Die Wärterin war erleichtert. Zainabs unbekümmerte Tapferkeit hatte sie immer verunsichert. Sie wollte nicht, dass sie das Gefängnis stumm verließ.
    Es ist allgemein bekannt, dass Flüche die letzte Zuflucht verzweifelter Mütter und die ohnmächtige Waffe von Menschen sind, die nicht einmal über den Mut oder die Worte verfügen, um ihre Feinde zu beschimpfen. Ebenso bekannt ist es, dass sie in aller Regel nicht wirken. Wirken kann ein Fluch nämlich nur, wenn er von einer Krähe gehört wird, die von der Person, die ihn

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