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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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ausgesprochen hat, gefüttert wurde, bis ihr Magen gefüllt ist, und wenn diese Krähe den Fluch dann seinem Ziel zuträgt. Krähen sind allerdings für ihre Gefräßigkeit berüchtigt, und satt sind sie so gut wie nie. Zudem sind sie eigenwillige Geschöpfe, deren Streifzüge nicht voraussehbar sind. Sie machen sich nie die Mühe, irgendetwas irgendwohin zu tragen.
    Die Blinde Zainab merkte nicht einmal, wie die Krähe, nachdem sie den Boden noch einmal nach übrig gebliebenen Brotkrumen abgesucht hatte, träge mit den Flügeln schlug und davonflog. Hoch oben über dem Gefängnis, von wo sie den albernen Tanz der Spatzen vor den Gefangenen beobachten konnte, spürte sie über sich einen Luftstrom, der gen Osten blies. Sie flog hinauf und überquerte, auf diesen Winden segelnd, zwei Tage später die Grenze nach Indien, wo die Weizenernte früher beginnt und die Elektromasten sicherer sind.
    Zainab packte ihre dürftige Habe zusammen und wartete auf ihre Abreise. Man legte ihr Handschellen an und setzte sie hinten in einen Jeep. Ihr fiel auf, dass keine Wachen sie begleiteten. Wohin sollte eine gefesselte Blinde auch flüchten? Sie betete, dass ihre Zellenkameradin eine leichte Geburt haben würde, und hatte schon vergessen, wen sie warum verflucht hatte.
    Die Krähe ließ sich vom Wind treiben. Krähen haben vielleicht kein Bewusstsein, aber ein Gedächtnis von neunzig Jahren.

    A ls der Jeep anhielt und sich eine Weile nicht rührte, begriff Zainab, dass sie am Ziel war. Da niemand sie abholte, nahm sie ihr Kleiderbündel, schob die Kanvasplane beiseite und stieg aus. Sie roch viel Rauch und viele Männer. Anscheinend, so glaubte sie für einen Moment, hatte man sie in ein Männergefängnis gebracht. Sie hörte die Sirene eines vorüberfahrenden Wagens und ging weiter, in der Hoffnung, man würde sie in eine Zelle führen, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen konnte. Um sie herum herrschte eine Atmosphäre von Hektik. In Gefängnissen wissen die Leute für gewöhnlich, wie man sich ruhig verhält. Nachdem sie, bemüht, niemandem auf die Füße zu treten, ein paar Meter gegangen war, fasste sie einen Mann am Arm, der eine gewisse Ruhe und Geduld ausstrahlte. „Wo soll ich wohnen?“, fragte sie ihn.
    Der Mann drückte ihr einen feuchten Zwei-Rupien-Schein in die Hand und befahl ihr zu warten, wie alle anderen auch.
    â€žIch bin keine Bettlerin“, sagte sie, aber der Mann war bereits gegangen.
    Eine Hand packte sie am Arm. „Wo willst du hin, Alte? Wir bringen dich in die Festung. Dort kann dich die Presse nicht behelligen.“

Neunzehn
    I ch erwache vom Widerhall eines verzweifelten Flüsterns. „Genosse. Genosse.“ Meine Hände sind zu Fäusten geballt, und Sand klebt an meinen verschwitzten Handflächen. „Genosse.“
    Ich brauche einen Moment, um mich zu orientieren, und noch einen, um die Quelle des Geflüsters zu orten. Als ich mir endlich die Hände an meiner Hose abwische und mich auf das Loch in der Wand zubewege, wird mir klar, dass ich wohl wieder in den Kampf aufgenommen bin.
    â€žJa, Genosse“, sage ich mit der Selbstverständlichkeit eines altgedienten Kommunisten.
    Seine Stimme klingt rau und aufgeregt.
    â€žKannst du eine Frau riechen?“, fragt er. Er duzt mich.
    â€žAuf einen Kilometer Entfernung, Genosse Generalsekretär. Besonders wenn sie gut riecht.“
    â€žDas meine ich nicht“, flüstert er aufgewühlt. „Ob du hier eine Frau riechst.“
    Ich ziehe die Luft durch die Nase ein und rieche den üblen Geruch meiner Zähne, die ich mir seit wer weiß wie vielen Tagen nicht geputzt habe.
    â€žRiechst du nichts? Sie ist in der Nähe, ganz nah.“
    â€žSo nah wie deine Revolution?“
    â€žDas ist nicht der Augenblick für Scherze. Wir müssen zusammenhalten. Ich glaube, sie könnte in der Zelle neben dir sein.“
    â€žWir sind in der Festung. Wie sollte jemals eine Frau hierherkommen?“
    â€žDu kennst diese Leute nicht. Sie sind zu allem fähig. Sie ist ganz bestimmt in der Zelle neben dir. Sprich mit ihr.“
    â€žIch bin nicht in der Stimmung für weibliche Gesellschaft, Generalsekretär. Frauen auf leeren Magen, das ist nichts für mich. Rede du mit ihr.“
    â€žDie Bourgeoisie protegiert die ihren, auch noch im Gefängnis. Warum haben sie sie nicht in die Zelle

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