Eine Klasse für sich
lästigen
Flug nach Los Angeles sparen. Aber sooft ich ihre Nummer wählte, begrüßte mich die synthetische Stimme eines Anrufbeantworters, was mir bisher noch nicht passiert war. Schlimmer noch, ich hinterließ ohne Erfolg eine Nachricht nach der anderen. Seit Kieran mich hatte auflaufen lassen, wollte ich kein karitatives Projekt mehr vorschützen. Statt mir eine neue Lüge auszudenken, nannte ich Candida meinen Namen und setzte nur hinzu, wahrscheinlich habe sie mich vergessen, trotzdem bäte ich um einen Rückruf, wenn sie einen Moment erübrigen könne. Dann gab ich meine Telefonnummern an, legte auf und hoffte auf das Beste. Aber das Beste ließ sich viel Zeit, und nach drei Wochen sowie einer unbeantworteten Postkarte wusste ich nicht, was ich noch tun konnte, um meinen Auftrag zu erfüllen. Schließlich konnten wir nicht mehr ewig herumtrödeln.
»Flieg nach Los Angeles«, sagte Damian am Telefon. »Verbinde es mit einem kleinen Urlaub, bleib ein paar Tage. Dann kannst du Terry abhaken und gleichzeitig dir selbst etwas Gutes tun. Hast du drüben einen Agenten?«
»Nur einen Vertreter meiner Londoner Agentur. Ich habe ihn noch nie gesehen.«
»Das ist doch die Gelegenheit. Lad ihn zu einem schönen Abend ein. Treib ein paar hübsche Mädchen auf und führ ihn aus, amüsiert euch. Ich zahle.«
Sollte ich ihm diesen Versuch, sich großzügig zu geben, übel nehmen? Oder war er wirklich großzügig? »Mein Agent hier meint, er sei schwul.«
»Umso besser. Flirte mit ihm. Red ihm ein, er sei der einzige Mann, den du jemals attraktiv gefunden hättest. Bitte ihn um Rat und sag ihm, wie sehr er dir damit geholfen habe. Dann drück ihm ein unfertiges Manuskript in die Hand und gib ihm das Gefühl, er habe Einfluss auf alles, was du schreibst.« Solche Bemerkungen machten mir schmerzhaft bewusst, um wie vieles besser Damian die Welt kannte als ich.
Ich hatte ihm von meinem Abend mit Kieran de Yong erzählt, nicht alles, nicht den letzten Teil. Aber ich ließ ihn wissen, dass ich Kieran sehr sympathisch fand und der tote Junge definitiv nicht
Damians Sohn gewesen war. Ein, zwei Minuten blieb die Leitung stumm. »Arme Joanna«, sagte er dann.
»Ja.«
»Sie hatte doch alle Voraussetzungen, um in der neuen Ära zu bestehen.«
»Da hast du recht.«
»Wenn sie nur eine Zynikerin gewesen wäre. Eigentlich ist sie an ihrem Optimismus zugrunde gegangen.«
»Wie viele unserer Generation.«
»Ich freue mich, dass du dich gut mit Kieran verstanden hast«, sagte er ungewohnt großherzig. »Mich kann er natürlich nicht ausstehen. «
»Warum, wissen wir ja.« Ich zögerte – sollte ich jenes verstörende Ereignis wirklich ansprechen? Andererseits führte jedes bisher enthüllte Detail beharrlich dorthin zurück. »Wussten eigentlich alle, wie du tickst? Damals in Estoril? Sind die Geschichten, die mir zu Ohren kommen, denn wahr? Oder spielt das Gedächtnis den Frauen einen Streich? Langsam hört es sich an, als hättest du innerhalb weniger Tage mit allen Frauen der Welt geschlafen.«
»Ich war jung«, erwiderte er, und wir lachten beide.
Zum ersten Mal bin ich Terry, wie schon berichtet, auf dem Ball für Dagmar von Moldau begegnet. Im Unterschied zu mir entwickelten Lucy Dalton und viele andere sofort eine Abneigung gegen Terry. Das heißt nicht, dass ich verrückt nach ihr war, aber sie hatte was. Sie steckte voller Energie, hatte Mumm, und mir gefiel es, dass sie und ihre Mutter sich in erster Linie amüsieren wollten. Ihren Vater bekamen wir kaum zu sehen. Just zu dem Zeitpunkt, als die Welt die Macht der Werbung entdeckte, hatte er in Cincinnati eine Werbeagentur gegründet, die zur Goldgrube wurde. In den Fünfzigerjahren brauchte man lediglich zu verkünden: »Verwendet dies oder jenes. Es ist gut !« Das genügte, um ein Produkt bei der dankbaren Öffentlichkeit zu lancieren. Aber dann kam der Moment, als sich die Welt des Marketings für immer wandelte und ihre erbarmungslose Eroberung der Zivilisation antrat. Damals war ich ein Teenager. Jeff
Vitkov sah die neue Ära früher kommen als die meisten. Er war ein einfacher, bescheidener Mensch, auf seine Weise genial, aber ohne anspruchsvolle Wünsche und Bedürfnisse, der Letzte, der gesellschaftliche Höhen erklimmen wollte. Auch nachdem er seinen Geschäftssitz in die New Yorker Madison Avenue verlegt hatte, betrachtete er Cincinnati als seine Heimat und hätte vielleicht sogar seine Familie dort gelassen, wäre am Wochenende nach Hause geflogen und
Weitere Kostenlose Bücher