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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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war es nicht allein. Obwohl er ein Neuling in diesen Kreisen war, ließ er sich die Spielregeln nicht diktieren, ich aber sehr wohl – vielleicht hatte ich mich zu leicht unterworfen. Hatte ich die Witze Lord Claremonts und seinesgleichen nicht bereitwilliger beklatscht, als ich es bei sozial niedriger Gestellten getan hätte? Nie hatte ich gegen die Albernheiten protestiert, die mir beim Dinner in den großartigen, prachtvollen Esszimmern zu Ohren kamen – erhob ich sie damit nicht stillschweigend in den Rang interessanter Bemerkungen? Ich hatte mit Dummköpfen bis in die Nacht hinein zusammengesessen, gelacht, genickt und ihre bodenlose Egomanie genährt, ohne meine eigenen Gefühle auch nur andeutungsweise zu verraten. Hätte ich mich mit Dagmar abgegeben, wenn sie keine Prinzessin gewesen wäre? War ich nicht höflich zu einem Mann wie Andrew, den ich verachtete und auch dann nicht hätte leiden können, wenn Serena nie geboren worden wäre? Hätte ich ihm denselben Respekt entgegengebracht, wenn es in mir nicht den leisen Impuls gäbe, mich vor einem Rang zu verneigen? Ich bin mir nicht so sicher. Wenn meine Mutter noch lebte und dies lesen könnte, würde sie sagen, was für ein Unsinn, ich sei schließlich zur Höflichkeit erzogen worden, warum sollte ich dafür kritisiert werden? Einerseits gebe ich ihr recht, andererseits…
    Jedenfalls war ich nach diesem Abend für viele Jahre gesellschaftlich erledigt. Damian war aus dieser Welt verschwunden, ich großenteils auch. Mit wenigen, sehr wenigen Ausnahmen stieg ich aus
dieser Runde aus, zunächst aus Scham, dann aus Ekel vor mir selbst. Sogar Serena schien sich von mir zurückzuziehen – glaubte ich. Eine Weile kam ich noch gelegentlich in Waverly vorbei, ein-, zweimal im Jahr, um sie oder ihre Kinder zu sehen oder weil ich ihr einfach nicht fernbleiben konnte. Aber ich spürte, dass jener Abend immer noch seine Schatten über uns warf, dass etwas gestorben war, und schließlich akzeptierte ich das und brach die Verbindung ab.
    Mit dem Alter bin ich natürlich milder geworden und finde rückblickend, dass ich sehr hart mit mir umgesprungen bin. Ich glaube nicht, dass Serena für meine Verbannung verantwortlich war. Auch den anderen werfe ich nichts vor; ich habe mich vielmehr selbst bestraft, und das war falsch. Aus Damian haben an jenem Abend die Wut und die Rachsucht gesprochen, auch wenn mir immer noch nicht ganz klar ist, warum ich die Zielscheibe so heftiger, scheinbar völlig aus der Luft gegriffener Attacken wurde. Vielleicht warf er mir insgeheim vor, dass ich ihn überhaupt erst in den Schlamassel hineingezogen hatte. Im Nachhinein ist man ja immer klüger, und so neige ich zu der Ansicht, dass er nicht ganz unrecht hatte.

16
    Nach meiner Rückkehr von Waverly rief ich Damian an und erzählte ihm alles, was ich erfahren hatte. Und sprach einen äußerst unliebsamen Gedanken aus, der mir gekommen war. »Eine alberne Frage: Bist du sicher, dass es nicht Serena ist?«
    »Ganz sicher.«
    »Denn ich weiß jetzt, dass bei dir viel mehr passiert ist, als mir damals bekannt war.«
    »Schön, aber Serena ist es wirklich nicht. Ich wünschte, sie wäre es, aber das kann nicht sein.« Wie ich heraushörte, freute er sich, dass ich die Bedeutung jenes Jahres für ihn nun besser begriff. »Ich habe zum letzten Mal im Herbst 1968 mit Serena geschlafen. Sie hat im Frühling 1969 geheiratet, das erste Kind kam nicht so schnell. Nach ihrem Ball habe ich sie nur noch einmal gesehen, an jenem Abend in Portugal. Da wohnte sie woanders und hatte ihren öden Mann, ihre dämlichen Eltern, ihre grauenhaften Schwiegereltern und ihr Baby dabei. Selbst wenn ich alle Daten durcheinanderbringe, müsste es dieses Kind sein, Mary. Ich höre, sie ist ihrem widerwärtigen Daddy wie aus dem Gesicht geschnitten.« Was alles zutraf. Die gesuchte Mutter war nicht Serena Belton.
    »Dann ist es Candida. Es muss Candida sein.«
    »Hast du mit ihr über mich gesprochen?«
    »Ein wenig. Sie hat erwähnt, dass ihr mal zusammen wart, aber eher am Anfang der Saison.«
    »Das stimmt. Wir haben eigentlich nie Schluss gemacht, sondern waren immer befreundet und haben die Sache nach Ende der Saison auch noch ein-, zweimal wiederbelebt, um der alten Zeiten willen. Ich weiß, dass du Candida nie viel abgewinnen konntest, aber ich hatte sie gern.«

    Das interessierte mich außerordentlich. Er hatte ein viel feineres Gespür für das wahre Wesen all dieser Frauen gehabt als ich damals. »Sie hat

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