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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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begreifen, dass sie die Katastrophe tatsächlich überlebt haben. Dann begannen Serena und Dagmar laut zu weinen, und Lady Belton, die mit den Hummer-und Krebsschwänzen in der Frisur aussah wie ein rotnasiger Clown aus dem Cirque du Soleil , kreischte ihrem benommenen und gleichermaßen fischverzierten Gatten Befehle zu. »Bring mich fort von hier! Auf der Stelle! Bring mich weg!«
    Da rief Valerie Langley, wir sollten die Polizei holen, aber auch ohne die raschen, erschrockenen Blicke der anderen wusste Alfred, dass das nie geschehen würde. Man wollte zum Abschluss des Abends keinesfalls die Presse am Hals haben und ihr die beste Klatschgeschichte seit Jahren servieren. Und mit einem Nicken und stillem Verständnis für die Situation redete er seiner Frau diese Idee aus.
    Zu sagen, dass die Gesellschaft bald danach auseinanderging, hieße untertreiben. Sie brach in Stücke, zersplitterte, explodierte, fiel in Trümmer; die Claremonts und die Langleys liefen zu ihren Autos, als stünde ein entsprungener Amokschütze im Fenster und ziele auf sie. Wer hier wohnte, saß nach Fisch stinkend am Tisch und harrte der Dinge, die da kommen würden. George Tremayne goss sich einen Drink ein und brachte auch mir ein Glas herüber, was ich sehr anständig von ihm fand, mich aber in dem schrecklichen Gefühl bestätigte, nun von allen bemitleidet zu werden. Bemitleidet und verachtet – ganz offensichtlich. Vielleicht glaubten nicht alle alles, was Damian über mich gesagt hatte, aber ein bisschen davon glaubte bestimmt jeder, und ich malte mir die Folgen aus. Zu Hause würden
andere die Geschichte hören, endlos ausgeschmückt, und ich wäre in London fortan als elender Schleimer gebrandmarkt, als Widerling mit Aufstiegsambitionen, als schmieriges Stück Dreck. Nun bekam ich die Quittung dafür, dass ich mich mit Damian eingelassen und ihn den anderen aufgedrängt hatte. In der Welt meiner Jugendjahre hatte ich ausgespielt. Von nun an war ich ein Ausgestoßener. Ein Paria.
    Candida kam auf mich zu, vielleicht, um mich zu trösten, aber ich ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen, sondern zog sie beiseite. »Ich reise morgen ab«, sagte ich leise, denn ich wollte nicht zur cause célèbre werden. Noch schlimmer wäre es, wenn sich die anderen verpflichtet fühlten, Partei für mich zu ergreifen. »Ich fahre in aller Frühe.«
    »Sei nicht albern.«
    »Nein. Ich kann nicht anders. Ich habe ihn euch allen vorgestellt. Ich bin der Verantwortliche. Da kann ich unmöglich bleiben. Nicht nach diesem Auftritt.« Ich war ihr dankbar, dass sie mir den Rücken stärken wollte, aber es stimmte: Ich konnte mich keine Minute länger bei diesen Leuten aufhalten. Andrew Summersby kam heran und Candida bekniete ihn, mich von meinen Plänen abzubringen. Er schüttelte den Kopf. »Meiner Meinung nach ist das der einzige Weg, der ihm offen steht«, sagte er in seiner allerschwülstigsten Manier. Ein Glück, dass die Dienstmädchen das Messer schon weggeräumt hatten.
    Candida wollte an diesem Abend nicht länger diskutieren. »Schlaf drüber«, sagte sie. »Wart ab, wie du dich morgen fühlst. Wir wissen alle, was für Quatsch Damian geredet hat.« Ich lächelte, gab ihr ein Küsschen und verdrückte mich unauffällig in mein Zimmer.
    Heute kenne ich Candida besser und glaube, dass sie Damians Vorwürfe gegen mich tatsächlich absurd fand, aber damals glaubte ich es nicht. Und als ich später gebadet hatte und nicht mehr ganz so nach Fischmarkt stank, fragte ich mich, ob Damians Vorwürfe wirklich so unbegründet waren. Manche davon sicher, vor allem jene, die mein Verhältnis zu Serena betrafen. Er hatte mit jedem Wort darauf abgezielt, mich vor diesen Leuten unmöglich zu machen, schlechterdings
zu vernichten. Da er aus ihrer Welt verschwinden würde, hatte er sich wohl geschworen, mich mitzureißen. Und an seiner grausamen Attacke genoss er sicher am meisten, dass sie mich in Serenas Augen herabsetzen, ja ruinieren würde. Er wollte meine Liebe zu ihr, den Grundantrieb meines Lebens, als belangloses, läppisches Getue hinstellen, als Trick, um mir eine Dinnereinladung zu erschleichen. Dennoch war nicht alles Unsinn. Merkwürdigerweise hatte ich Damian zuweilen beneidet. Ich beneidete ihn um seine Macht über diese Männer und Frauen. Viele kannte ich schon von klein auf, aber innerhalb weniger Wochen erlangte er bei ihnen mehr Einfluss, als ich jemals gehabt hatte. Er sah natürlich gut aus und hatte Charisma, was mir beides fehlte, aber das

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