Eine Klasse für sich
durchblicken lassen, dass es noch einmal ein kleines Techtelmechtel gegeben hat, als das Jahr vorüber war. Kannst du da ein Kind gezeugt haben?«
»Nein. Das war vor diesem Urlaub längst zu Ende.« Er schwieg kurz. »Aber sie ist nach diesem Dinner, als alle geschlafen haben, zu mir gekommen. Ich bin in der Nacht aufgewacht, da lag sie nackt in meinem Bett und wir haben uns geliebt. Am nächsten Morgen war sie verschwunden.«
»Hast du sie noch gesehen, bevor du gefahren bist?«
»Da hat sich niemand blicken lassen. Ich habe ein Taxi gerufen und bin verschwunden. Aber sie hatte noch eine Abschiedsnachricht in meinem Zimmer hinterlassen, und so haben wir uns im Guten getrennt. «
»Habt ihr euch später noch mal getroffen? In London?«
»Ich habe niemanden wiedergesehen. Dich ja auch nicht.«
»Nein.« Auch ich war im Morgengrauen zum Flughafen gefahren, aber wir hatten es geschafft, einen großen Bogen umeinander zu machen. Gezielt und absichtlich. Von da an hatte ich Damian nicht mehr gesehen, bis er mich zu sich bestellte.
Er unterbrach meine Gedanken. »Das heißt, Joanna habe ich noch ein einziges Mal gesehen. Aber wir wissen, dass sie es nicht gewesen ist.«
»Und Terry.«
Nach einer kurzen, verwirrten Pause gab er mir recht. »Ach ja. Ich dachte, das wäre vor Portugal gewesen. Aber es war nach unserer Rückkehr. Arme Terry.«
»Was hat Candida in ihrer Abschiedsnachricht denn geschrieben? «
»›Ich liebe dich immer noch.‹ Unterzeichnet mit ihrem komischen Krakel. Das fand ich wahnsinnig rührend. Ich glaube, ich war in meinem Leben nie so unglücklich wie an jenem Abend.«
»Das gilt für alle, die dabei waren.«
»Ich habe immer darum gebetet, nie wieder so unglücklich sein zu
müssen. Und weil mir nur noch Minuten bleiben, kann ich wohl darauf vertrauen, dass mir wenigstens dieser Wunsch erfüllt wird.« Bei den hässlichen Erinnerungen lachte er leise auf. Ich sage, er lachte, aber es klang mehr wie das Gegurgel in den alten, lange nicht benutzten Rohrleitungen eines abbruchreifen Hauses. »Ich lag auf meinem Bett und habe zugehört, was ihr draußen geredet habt. Alle sind gegangen, und ich wäre am liebsten tot gewesen. Eine Weile dachte ich, sie würden die Polizei rufen.«
»Diese Leute? Nie im Leben. Sie liefern nicht gern Stoff für die Klatschspalten. Daran hat sich bis heute nichts geändert.« Wir waren beinahe am Ziel. Es gab nichts weiter zu tun, als die letzten losen Fäden zu verknüpfen. »Soll ich zu Candida fahren und ihr vom unverhofften Glück ihres Sohnes erzählen?«
»Warum nicht? Und dann komm her. Ich möchte hören, was sie dazu sagt.«
Candida freute sich über meinen Anruf und erlaubte mir auch gern, noch am selben Vormittag bei ihr zu einer Tasse Kaffee vorbeizuschauen. Sie wohnte in Fulham, in einem der alten Häuser, in die seit meiner Jugend viele aus ihren Kreisen übersiedelt sind. Harry hatte offensichtlich gut verdient, und sie hatte das Haus sehr elegant eingerichtet. Sie begrüßte mich wieder mit ihrer angenehmen, ruhigen Art, die neu für mich war, holte ein Kaffeetablett und führte mich in ein hübsches Wohnzimmer mit viel Chintz. Auf dem Tischchen hinter einem Sofa stand ein großes, gerahmtes Foto – vermutlich der verstorbene Harry Stanforth. Sein gutmütig-derbes, bulliges Gesicht mit dem breiten Lächeln erschien mir recht gewöhnlich, aber daran zeigt sich eben das große, zeitlose Wunder der Liebe. Ich verneigte mich im Geist vor ihm, während Candida Kaffee einschenkte. Dann sah sie mich an. »Und?«, fragte sie.
Ich erklärte ihr, was Damian suchte und welche Rolle ich dabei spielte. »Erst wollte ich nicht, aber sogar ich sah ein, dass es keine Alternative gab.«
Sie trank einen Schluck Kaffee. »Wusst ich’s doch, dass was im Busch war. Nur habe ich nicht ganz richtig getippt. Was habe nun ich
damit zu tun?«, fragte sie. Dann saß sie einfach da und wartete geduldig auf weitere Ausführungen. Ich begriff nicht, warum sie nicht eins und eins zusammenzählte.
»Wir glauben, dass du die Gesuchte bist. Wir glauben, dass Archie Damians Sohn ist.«
Einen Moment lang sagte sie gar nichts, sondern sah mich nur entgeistert an. Dann prustete sie los. »Wie das? Ich bin schließlich kein Elefant.« Jetzt war ich meinerseits verwirrt. »Ich habe fast zwei Jahre vor Archies Geburt das letzte Mal mit Damian geschlafen«, erklärte sie.
»Aber neulich hast du angedeutet, da wäre auch nach dem Ende eurer Affäre etwas mit ihm
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