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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Vergnügungen zu stürzen. Heute verdrehen die Eltern nur achselzuckend die Augen angesichts der Unzuverlässigkeit ihres Nachwuchses, nehmen sie aber nicht mehr ernst. Doch Battersea war nach unserem Geschmack, und die Geladenen waren vollzählig erschienen.
    Ich kam ziemlich spät und ließ mich vom Partylärm an den Buden vorbei bis zu einem provisorischen, weiß gestrichenen Zaun leiten, dessen Eingang von zwei Türstehern bewacht wurde; ein großes Pappschild auf einem Ständer wies darauf hin, dass die Autoscooterbahn »wegen einer geschlossenen Gesellschaft« nicht zur Verfügung
stehe. Das sorgte bei etlichen Rummelbesuchern für böse Blicke, die Georginas Gäste zu ignorieren vorgaben. Sie ließen sich den Spaß von ein paar Meckerern nicht verderben, im Gegenteil. Was immer die Privilegierten behaupten, ein wenig Neid genießen sie allemal, damals wie heute.
    Viele Mädchen saßen schon in den Scootern, kreischten und lachten und verschütteten ihren Wein, wenn ihr Galan des Abends mit viel Getue und Getöse die Fahrzeuge der anderen rammte. Heute stünden überall Verbotsschilder, die die Mitnahme von Gläsern auf die Fahrbahn untersagen, oder es wären von vornherein nur Plastikbecher zugelassen. Aber damals scherte sich keiner um Lappalien wie rutschige Böden oder Glasscherben; mit beidem war hier sicher zu rechnen. In einem Festzelt mit einer offenen Seite tummelten sich die übrigen, bereits ziemlich angeheiterten Gäste. Ich sah mich nach Georgina um in der Hoffnung, sie als Mittelpunkt einer dankbaren Schar zu finden, doch sie stand wie üblich einsam und stumm am Champagnerausschank. Also schlug ich zwei Fliegen mit einer Klappe, holte mir ein Glas und begrüßte gleichzeitig die Gastgeberin.
    »Hallo«, sagte ich. »Hier geht’s ja erfreulich rüpelhaft zu.«
    Sie lächelte matt. »Fährst du auch mal?«
    »Bestimmt!« Ich lächelte tapfer. »Und wie sieht’s mit dir aus?« Aber sie schien meine Frage nicht zu hören, sondern blickte wie gebannt auf die Fahrbahn, wo ich jetzt einen Wagen mit der unverkennbaren, über das Steuer gebeugten Silhouette Damians entdeckte. Seine Kopilotin wirkte auf die Entfernung wie aus einer anderen Welt. Ihr Gesicht verschwand beinahe hinter einem Lockenvorhang, dennoch erkannte ich, wie gelassen, ja unbeteiligt sie war. Sie schrie nicht wie die anderen, sondern saß einfach da wie eine würdevolle Prinzessin, die gezwungenermaßen eine Fahrt auf einer Bauernfähre über sich ergehen lässt, um ans andere Ufer zu gelangen.
    Georgina wandte sich zu mir. »Für wen ist denn das für ein Dinner?«
    Ich war perplex. »Welches Dinner?«
    »Heute Abend. Damian sagte, er könne nicht mit uns ins Ritz kommen, weil er dir schon zugesagt habe.«

    Ich erkannte sofort, was das bedeutete: Die arme Georgina hatte in Damians Leben ihren Zweck als Initialzündung erfüllt und konnte damit entsorgt werden. Sie war seinen Schmeicheleien und seinem freundlichen Charme erlegen und hatte ihm die Tür zu dieser Welt geöffnet. Nach seinem Entree ließ er sie skrupellos stehen. So zerplatzte Georginas Traum, bei dem langweiligen, spießigen Dinner, das ihre Mutter für ein paar wenige Auserlesene organisiert hatte, diesen neuen, glamourösen Tischherrn neben sich zu haben. Und ich werde schamrot bei dem Geständnis, dass ich die Flunkerei, mit der er sich diesem Dinner entzogen hatte, auch noch deckte. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich nicht lange überlegte, sondern einem natürlichen Impuls folgte. Wenn eine Frau einem Mann von der Ausrede eines Geschlechtsgenossen berichtet, wird er aus männlicher Solidarität die Lüge unterstützen. Der Satz »Robert hat mir erzählt, dass er nächste Woche mit dir essen geht« zwingt einen Mann zu einer Erwiderung wie »Höchste Zeit für einen kleinen Plausch, damit ich wieder auf dem Laufenden bin«, selbst wenn er keinen blassen Schimmer von der »Verabredung« hat. Im Anschluss darf er den Freund gern zur Schnecke machen: »Was denkst du dir eigentlich, mich so in Verlegenheit zu bringen?« Aber mit der Wahrheit herauszuplatzen, widerstrebt der männlichen Natur. »Von einem solchen Essen habe ich nie gehört. Robert muss eine Geliebte haben« – so etwas bringt kein Mann über die Lippen, nicht einmal, wenn er ganz auf der Seite der Belogenen steht. Ich lächelte Georgina an. »Nur eine bescheidene Sache im kleinen Kreis. So wichtig ist das nicht, wenn du ihn wirklich brauchst.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich

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