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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Zukunft, und damals sah es so aus, als hätte Peter im Alleingang einen unbegrenzten Strafaufschub erwirkt. Der Rückzug der Monarchin stellte für viele den Sinn und Zweck der Saison infrage, doch konnte sie immerhin noch dazu dienen, die Sprösslinge gleichgesinnter Eltern zusammenzubringen. Diese Verantwortung nahm Peter auf sich, ohne Aussicht auf Belohnung, sondern allein um der Ehre willen. In meinen Augen eine löbliche Tat, was immer man vom Endprodukt halten mag. Jahr für Jahr durchkämmte er die genealogischen Handbücher, schrieb die Mütter der Töchter an und lud die Söhne zum Gespräch ein, alles, um der guten Sache ein paar
weitere Monate Lebensdauer zu verschaffen. Kaum zu glauben, dass das wirklich erst vierzig Jahre zurückliegt.
    Bei seinen eigenen Partys ging es Peter vor allem darum, den jungen Männern, die er als Begleiter und Tanzpartner für die künftigen Feste in Erwägung zog , auf den Zahn zu fühlen. Nach dieser Prüfung wurden die mit Spannung erwarteten Kandidatenlisten erstellt und an die Mütter verteilt, die darauf bauten, dass Schurken, Verführer, Alkoholiker, Spieler und alle, die sich im Taxi nicht benehmen können, keine Aufnahme gefunden hatten. Ganz so glatt verlief das Ausschlussverfahren allerdings nicht; ein Beispiel waren gleich die ersten beiden jungen Männer, die uns in Peters winziger, hässlich möblierter Wohnung begrüßten. Sie lag im obersten Stock eines Hauses, das die schlimmsten Bausünden der Fünfzigerjahre in sich vereinigte. Bei den jungen Männern handelte es sich um die jüngeren Söhne des Herzogs von Trent, Lord Richard und Lord George Tremayne, beide bereits betrunken. Ein Fremder hätte vielleicht annehmen können, dass Peter sie als ungeeignet aussortieren werde, da sie weder gut aussahen noch im Geringsten amüsant waren. Aber an gewissen Personen kam er einfach nicht vorbei, das war nicht seine Schuld. Die Tremayne-Brüder würden sich garantiert einer gewissen Beliebtheit erfreuen und völlig zu Unrecht den Ruf von Stimmungskanonen erwerben. Ihr Vater trug eben den Herzogstitel, und das genügte, um seinen Söhnen alle Türen zu öffnen, selbst wenn er in der realen Welt nicht einmal als Parkwächter hätte bestehen können.
    Wir schoben uns zum überfüllten Hauptraum durch und fanden dort Peter, dem wie üblich ein wirres Haarbüschel ins faltige Mopsgesicht fiel. Er deutete auf Damian. »Wer ist denn der da?«, fragte er laut und unverhohlen feindselig.
    »Darf ich Ihnen Damian Baxter vorstellen?«, erwiderte ich.
    »Den habe ich nicht eingeladen«, sagte Peter ungerührt. »Was macht der hier?« Peter gab sich wie gesagt nicht als Mitglied des Systems aus, das er so bewunderte, und in solchen Momenten begriff ich, warum. Da er nicht als vollkommener Gentleman auftrat, sah er keinen Grund, höflich zu sein, wenn es ihm nicht passte. Kurz, er machte aus seinem Herzen nie eine Mördergrube, was ich im Lauf
der Zeit an ihm zu schätzen und bewundern lernte. Natürlich hörte es sich an, als bekäme der unwillkommene Gast Peters Zorn ab, doch in Wirklichkeit zielte der allein auf mich. Schließlich hatte ja ich die Regeln gebrochen. Ich fürchte, ich knickte bei diesem Angriff ein. Heute kann ich das kaum nachvollziehen, aber ich bekam plötzlich Angst, Peter könnte mir womöglich die vielen Freuden versagen, mit denen ich schon fest gerechnet hatte. Nun – damit hätte er mir auch viel Ärger erspart.
    »Machen Sie ihm keinen Vorwurf«, schaltete sich Damian ein, der das Problem erkannte und rasch zu uns trat. »Machen Sie alle Vorwürfe mir. Ich hatte den dringenden Wunsch, Sie kennenzulernen, Mr. Townend, und habe ihn praktisch gezwungen, mich mitzunehmen. Die Schuld liegt ganz allein bei mir.«
    Peter starrte ihn an. »Das ist wohl mein Stichwort, Sie willkommen zu heißen.«
    Sein Ton hätte frostiger nicht sein können, aber Damian verlor nicht so schnell die Fassung. »Das ist Ihr Stichwort, mich zum Gehen aufzufordern, wenn Sie es wünschen. Dann gehe ich selbstverständlich. « Daraufhin schwieg er, und über seine ebenmäßigen Züge fiel ein Schatten der Besorgnis.
    »Sehr geschickt«, stellte Peter in seiner skurrilen, zweideutigen, fast verdrießlichen Art fest. Er nickte zu einem verwirrten Spanier hinüber, der mit einem Tablett dastand. »Sie können sich was zu trinken holen.« Ich glaube keineswegs, dass Peter Damians Charme erlag. Er erkannte in ihm einfach einen Mitspieler, der womöglich großes Geschick besaß, und

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