Eine Klasse für sich
zögerte, ihn sich gleich bei der ersten Begegnung zum Feind zu machen. Als Damian davonschlenderte, wandte sich Peter noch einmal an mich. »Wer ist das? Und wo hat er Sie aufgegabelt?« Allein das war schon eine denkwürdige Formulierung.
»In Cambridge. Ich habe ihn auf einer Party in meinem College kennengelernt. Und zu Ihrer ersten Frage …« Ich zögerte. »Im Grunde weiß ich auch nicht viel über ihn.«
»Und Sie werden auch nicht viel erfahren.«
Sofort fühlte ich mich aufgerufen, ihn zu verteidigen: »Er ist sehr
nett.« Ohne zu wissen, wie mir geschah, fand ich mich in der Beschützerrolle wieder. »Ich dachte, Sie würden ihn vielleicht auch sympathisch finden.«
Peters Blick verfolgte Damian, wie er sich ein Glas nahm und sogleich ein bedauernswertes übergewichtiges Mädchen mit Unterbiss anquatschte, das sich am Rand des Geschehens herumdrückte. »Raffiniert, der Kerl«, sagte Peter und wandte sich ab, um ein paar Neuankömmlinge zu begrüßen.
Die Raffinesse, die Peter meinem neuen Freund bescheinigte, trug fast sofort Früchte. Zu einem späteren Zeitpunkt unserer Bekanntschaft hätte mich das nicht weiter überrascht, denn ich merkte bald, dass Damian nie eine Chance vergab. Er war ein Macher und unermüdlich aktiv, was selbst sein schlimmster Feind zugeben musste. Wie gerade eben geschehen. Schließlich hatte Damian es geschafft, ohne die Garantie einer Gegenleistung in Peters heilige Hallen vorzudringen. Nun wollte er keine Zeit verlieren.
Er überschüttete also die unbeholfene junge Frau mit seinem Charme, und als sie zu ihm hochblickte, erkannte ich sie: Es war Georgina Waddilove, die Tochter eines City-Bankers und einer amerikanischen Erbin. Aus welchen Gründen Damian sie für seine Eröffnungssalve ausgesucht hatte, weiß ich nicht. Vielleicht hatte er ein strategisches Gespür dafür, wo sich am leichtesten eine Bresche in die Mauer schlagen ließ, welches Mädchen am wehrlosesten war. Georgina war von melancholischem Gemüt. Alle Interessenten – viele waren es nicht – führten das auf Georginas Mutter zurück. Die Amerikanerin hatte nur eine ungenaue Vorstellung von England gehabt, als sie Norman Waddilove, der nach dem Krieg nach New York versetzt worden war und dort um sie warb, das Jawort gab; sie wiegte sich in der Illusion, in eine viel höhere Schicht einzuheiraten, als es tatsächlich der Fall war. 1950 kehrte die Familie mit zwei kleinen Jungen und einer neugeborenen Tochter nach England zurück, und Georginas Mutter erwartete Einladungen zur Pirsch auf Balmoral und zu intimen Dinners in Chatsworth und Stratfield Saye House. Doch sie musste entdecken, dass Freunde und Familie ihres Mannes fast ausschließlich aus der gleichen wohlhabenden, beruflich erfolgreichen
Schicht stammten wie die Leute, mit denen sie seit ihrer Jugend auf Long Island Tennis gespielt hatte. Ihr Mann hatte sie nicht gezielt hintergangen, sich aber wie viele Engländer seines Schlags im Ausland angewöhnt, eine gehobene Herkunft anzudeuten: im fernen New York ein leichtes Spiel. Und nachdem Norman neun Jahre lang dort gelebt hatte, glaubte er fast selbst daran. Er plauderte so ungezwungen über Prinzessin Margaret, die Westminsters oder Lady Pamela Berry, dass er selbst wahrscheinlich genauso überrascht gewesen wäre wie seine Zuhörer, wäre ihm ins Bewusstsein gedrungen, dass er alle seine Kenntnisse aus dem Daily Express bezog.
Die Konsequenz aus dieser Enttäuschung war jedoch nicht etwa eine Scheidung, für die man in den Fünfzigerjahren immer noch einen hohen gesellschaftlichen Preis bezahlte. Anne Waddilove dachte an ihre Kinder. Norman hatte viel Geld verdient, das seine Frau zu nutzen beschloss, um die Defizite und Enttäuschungen ihres eigenen Lebens bei ihrem Nachwuchs auszugleichen. Für die Jungen bedeutete das gute Schulen, Teilnahme an Jagden und ein Studium an der richtigen Universität. Und ihre Tochter sollte dank einer schwindelerregenden Saison in die feine Gesellschaft katapultiert werden und dann zwangsläufig eine glänzende Partie machen. Anschließend kämen die Enkel, die dann stellvertretend für Anne im Dunstkreis der Royals wandeln würden. So also verplante Mrs. Waddilove die Zukunft der armen Georgina, die, sobald sie laufen konnte, dazu verdammt war, anstelle ihres eigenen Lebens das Leben ihrer Mutter zu führen. Vielleicht war die Mutter deshalb blind für die schlichte Tatsache, die allen anderen sofort ins Auge sprang: Georgina war für die ihr zugedachte
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