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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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her. Es ist unglaublich!«
    Markesch sah ihn mitleidlos an. Vielleicht war dies die falsche Reaktion, vor allem einem finanzkräftigen Klienten wie Walter Kress gegenüber, aber den Rest von Mitgefühl, den er über all die Jahre hinübergerettet hatte, benötigte er für sich selbst, auch wenn er bezweifelte, daß ihm so etwas wie Mitgefühl noch helfen konnte. Er hatte eine schreckliche Nacht hinter sich und vermutlich ein noch schrecklicheres Leben vor sich. Nase und Fuß waren lädiert, die Polizei hatte sein Auto entführt, und er stand immer noch am Anfang seiner Ermittlungen.
    Schlimmer noch – sein Leidensweg durch das Rotlichtmilieu und die Drogenszene war umsonst gewesen. Er hatte die falschen Spuren verfolgt. Hinter der Fotofalle steckte kein kriminelles Gelichter vom Schlage eines Trucker oder Wolfgang Pankrath. Der Stadtrat hatte recht: Wer immer auch der Absender der Fotos sein mochte, ihm ging es nicht um Geld, sondern um Rache.
    Er wollte Kress vernichten.
    Und mit etwas Pech würde es ihm auch gelingen.
    Aus den Augenwinkeln verfolgte Markesch, wie der Gibbon im Boss-Anzug mit über den Boden schleifenden Händen zur Tür trabte. Unterwegs kam er an einer einsamen Erdnuß vorbei, die ein morgendlicher Frühstücksgast aus seinem Vollwertmüsli verloren haben mußte. Ohne sich zu bücken, fischte er die Nuß vom Boden, beschnüffelte sie ausgiebig und steckte sie mit einem beifälligen Grunzer in den Mund.
    Markesch schauderte.
    »Ich brauche eine Liste Ihrer Feinde«, sagte er zu Kress, während er die Fotos zurück in den Umschlag schob. »Eine möglichst lückenlose Aufstellung. Politische Gegner, persönliche Widersacher, verflossene Liebschaften. Alle Personen, die ein Interesse daran haben könnten, Sie ruiniert zu sehen.«
    Kress starrte ihn an. Dann lachte er. Humorlos, freudlos, verzweifelt wie ein Mann, der vor einem Erschießungskommando stand und nach einer letzten Zigarette verlangte, die ihm unter Hinweis auf die gesundheitlichen Gefahren des Tabakrauchens verwehrt wurde.
    »Machen Sie Witze?« stieß er hervor. »Wissen Sie eigentlich, wie viele Personen in Frage kommen? Da kann ich gleich das ganze Kölner Telefonbuch abschreiben!«
    »Dann tun Sie es. Die Zeit drängt, und es ist Ihre einzige Chance. Der nächste Brief wird vielleicht nicht an Ihre Frau, sondern an die Presse gehen.«
    »Großartig«, meinte Kress säuerlich. »Und was tun Sie in der Zwischenzeit? Das, was Sie bisher auch getan haben – nichts?«
    »Genügt Ihnen der Zustand meiner Nase als Antwort, oder soll ich Ihnen auch noch meinen Fuß zeigen?«
    »Ich … Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen.« Der Stadtrat fuhr sich mit den Fingern durch das schüttere Haar. »Sie werden Ihre Liste bekommen. Aber ich habe viele Feinde. Und ich traue jedem einzelnen von ihnen diese Schweinerei zu.«
    »Wir werden den Richtigen schon herausfiltern, und dann …«
    Er ließ den unvollendeten Satz optimistisch im Raum hängen und blickte wieder zum Eingang hinüber. Der Gibbon hatte die Vermessung der Tür inzwischen beendet und reichte Archimedes eine haarige Hand. Archimedes grinste breit übers bärtige Gesicht, als hätte er soeben erfahren, daß er der verschollene Sohn des Milliarden Petrodollar schweren Sultans von Brunei war, und riß die Tür auf. Der Gibbon trottete zu einem metallicblauen Mercedes Coupé, das protzig und provozierend vor dem Café parkte, schwang sich mit affenartiger Behendigkeit hinters Lenkrad und verschwand mit angeberisch röhrendem Motor im Berufsverkehr.
    Walter Kress warf einen Blick auf seine Uhr und stand auf. »Heute abend haben Sie Ihre Liste, Markesch. Und machen Sie Druck. Wenn Sie Unterstützung brauchen, Helfer engagieren müssen, dann tun Sie es. Die Kosten spielen keine Rolle. Hauptsache, Sie finden diese Schlampe.«
    Er neigte knapp den Kopf, zögerte noch einen Moment, als wollte er etwas sagen, aber dann wandte er sich wortlos ab und verließ mit schnellen Schritten das Café. Markesch blickte ihm nach und glaubte, die Angst des Stadtrats fast sehen zu können, ein fahler, seltsam verdrehter, grausiger Schatten, der ihn auf Schritt und Tritt verfolgte. Für einen Moment war er doch versucht, Mitleid mit ihm zu empfinden, aber dann dachte er an Astrid Pankrath und an die eine, wichtige Frage, die Walter Kress nicht gestellt, an die er wahrscheinlich nicht einmal gedacht hatte, und er sparte sich das Mitgefühl.
    Denn wenn es bei den Fotos nicht um Erpressung, nicht um

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