Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
Vom Netzwerk:
mit gesenktem Kopf vom Bürgersteig auf die Straße. Der Regen fiel jetzt so dicht, daß er sich wie ein Schleier vor seine Augen legte, und erst als er die Straßenmitte erreichte, stellte er fest, daß etwas nicht stimmte.
    Sein Ford.
    Er war verschwunden.
    Markesch blieb verwirrt stehen. Er sah suchend nach links, in die große Leere der abendlichen Südstadt, dann nach rechts, an der Feuerwache und den Lichtern des Filos vorbei zur Merowinger Straße, und dann – mit grellem Schrecken – sah er ihn, seinen rostbraunen Ford, wie er schief und traurig am Haken eines hungrig brummenden Abschleppwagens hing, aufgespießt und davongekarrt, als wäre er irgendein totes Ding und nicht sein Freund, sein Heim, seine Rettung.
    Einen Atemzug später hatte ihn der Regen verschluckt.

 
7
     
    »Er kam heute morgen mit der Post«, sagte Walter Kress und schob den braunen Briefumschlag mit bebenden Fingern über den Tisch. »Er war an meine Frau adressiert. Nicht an mich. Reiner Zufall, daß sie ihn nicht geöffnet hat. Normalerweise bin ich früher aus dem Haus als sie. Aber heute morgen … Als ich die Post durchsah, fiel er mir sofort auf. Dieselbe Schreibmaschinentype wie beim letzten Mal. Und kein Absender.«
    Seine Stimme klang vor Panik so hohl und brüchig, als hätte er einen Nebenjob als Synchronsprecher für Mumien-Filme angenommen, und sein Gesicht war noch grauer als bei seinem letzten Besuch, gehetzt und mit schlaff herunterhängenden Hamsterbacken, ein Gewinn für jede Geisterbahn. Die schütteren Haare klebten wie Spinnweben an seinem verschwitzten Schädel. In seinen Augen glitzerte nackte Angst.
    »Man will mich fertigmachen«, sagte er gepreßt. »Mich zerstören. Alles ruinieren, was ich mir aufgebaut habe.« Er befingerte seine Krawatte, zupfte und zerrte an ihr wie an einer Schlinge, die sich trotz seines verzweifelten Widerstands immer enger um seinen Hals zog. »Helfen Sie mir«, sagte er. »Unternehmen Sie etwas. Sofort. Verdammt, wofür bezahle ich Sie eigentlich? Damit Sie in diesem gottverdammten Café herumsitzen und mein Geld versaufen und …«
    Er verstummte.
    Sank hilflos auf seinem Stuhl in sich zusammen.
    Draußen schien die Sonne auf die Straßen von Sülz, strahlend und optimistisch, als gäbe es keine Katastrophen und keinen Schmerz auf der Welt. Im Regenbogen war es ungewohnt leer. Der einzige Gast außer Markesch und Walter Kress war ein gedrungener, gibbonähnlicher Mann in einem zerknautschten Boss-Anzug, der mit einem Zollstock durch das Café turnte und kabbalistisch anmutende Vermessungsarbeiten vornahm. Haarig bis zur Unkenntlichkeit, die Arme so lang, daß sie beim Gehen über den Boden schleiften, gehörte er eher in einen Zoo als in einen gastronomischen Betrieb mit angeschlossener Privatdetektei, aber Archimedes hofierte ihn, als wäre er der Messias der Mittelständler und ins Café gekommen, um ihn von allen Umsatzsorgen zu erlösen.
    Merkwürdig, dachte Markesch, daß sich der bärtige Grieche, diese Kreatur der Nacht, überhaupt schon am Vormittag im Regenbogen sehen ließ …
    »Warum sagen Sie nichts?« riß ihn Kress’ Stimme aus seinen Gedanken. »Sagen Sie etwas! Tun Sie etwas!«
    Markesch seufzte, nippte an seinem dreifachen Scotch, der ihm helfen sollte, die geschwollene Nase und die Schmerzen in seinem bandagierten Fuß zu vergessen, und zog die großformatigen Fotos aus dem braunen Briefumschlag. Flüchtig sah er sie durch. Die Motive hatten sich nicht geändert, Abzüge derselben pikanten Serie aus dem Hospital D’Amour der verschwundenen Astrid Pankrath: Kress in Latexhöschen, mit Handschellen ans französische Bett gefesselt, so wonnig lächelnd, daß er kaum wiederzuerkennen war.
    Aber es gab einen Unterschied.
    Ein Satz in Schreibmaschinenschrift quer über Astrid Pankraths Rotkreuzbrüste, in Großbuchstaben und unnötigerweise mit drei Ausrufezeichen bekräftigt: IHR MANN IST EIN SCHWEIN, UND BALD WIRD ES DIE GANZE STADT ERFAHREN!!!
    »Das«, sagte Markesch bedächtig, »ändert natürlich alles.«
    Kress schnaufte. Fahrig rührte er in seinem Kaffee und schielte über die Schulter hinweg zur Tür, als fürchtete er, daß jeden Moment neue Gäste hereinkommen und einen Blick auf die kompromittierenden Schnappschüsse erhaschen würden.
    »Natürlich ändert das alles«, zischte er. »Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt. Es ist keine Erpressung. Man will mich ruinieren. Meinen guten Ruf zerstören. Und dieses miese kleine Drecksluder gibt sich dafür

Weitere Kostenlose Bücher