Eine Koelner Karriere
Geld ging, sondern um die Vernichtung von Kress – politisch, wirtschaftlich, privat – was sprang bei dem Geschäft dann für Astrid Pankrath heraus? War sie für ihre Mitarbeit so großzügig entlohnt worden, daß sie sich die nächsten Jahre nur noch zum Schlafen ins Bett legen mußte, und untergetaucht, bis Kress ruiniert war? Oder gab es einen anderen Grund dafür, daß sie unauffindbar blieb?
Einen mörderischen Grund?
»Neue Entwicklungen?« fragte Archimedes und starrte gierig den braunen Briefumschlag auf dem Tisch an. »Neue Fotos? Neues Geld?«
»Vor allem neue Arbeit.« Markesch schob den Umschlag mit den Fotos pietätvoll unter seine Nappalederjacke und informierte den Griechen mit knappen Worten über die Wendung des Falles. »Ich brauche mehr Informationen«, schloß er. »Alles Material, das du über Kress auftreiben kannst. Irgend jemand spielt Vendetta auf Pornographisch, und dieser Jemand muß einen guten Grund dafür haben. Vielleicht findet sich in der Presse ein Hinweis darauf, wer unseren sauberen Stadtrat genug hassen könnte, um seine Doktorspiele an die interessierte Öffentlichkeit zu zerren.«
»Ich habe ein Café zu führen. Ich muß expandieren. Ich habe keine Zeit, für dich den Hilfsschnüffler zu spielen.«
»Vielleicht den Oberhilfsschnüffler?«
»Oberhilfsschnüffler sind teuer.«
»Reichen fünfhundert?« sagte Markesch und wedelte mit fünf Hunderten aus dem Spesenfond. »Nur keine Ovationen. Es ist Kress’ Geld. Ich bin froh, wenn ich es los bin.«
»Da bist du bei mir genau richtig.« Archimedes ließ die Scheine in seiner Hand verschwinden. »Apatschen-Joe Arlt kann die Schmutzarbeit für uns erledigen, ein rasender Reporter, der früher bei der Rundschau gearbeitet hat, bis ihm der Terror der Mittelmäßigkeit zuviel wurde. Er ist jetzt freier Journalist und dankbar für jeden Auftrag, weil ihm seine sieben unmündigen Kinder und die Hühner, die er nebenbei züchtet, die Haare vom Kopf fressen. Ich laß ihn die Zeitungsarchive durchforschen und …«
»Keine Details. Hauptsache, er schafft die Informationen heran. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um meinen Wagen.« Markesch stand vorsichtig auf und humpelte zur Tür. Auf halbem Weg blieb er stehen. »Nebenbei – wer war der haarige Kerl mit dem Zollstock? Jemand vom Tierheim? Ein Insasse vielleicht? Und was hat er hier getan?«
Der Grieche griff nach einem triefendnassen Lappen, drehte ihm den Rücken zu und putzte den Tresen, als hätte er sich unversehens in einen Werbespot für Scheuermittel verirrt. »Du meinst den Aap? Er ist mein Innenarchitekt. Er hat nur was vermessen. Für die Renovierung, meine ich. Das ganze Café wird totalrenoviert. Das alles hier« – er machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Lappen und spritzte Wasser über die Tische – »der ganze Plunder hier kommt weg. Übermorgen geht’s los. Natürlich bringt es einige Unannehmlichkeiten mit sich, aber wenn es fertig ist, wirst du begeistert sein!«
Markesch wischte einige Wasserspritzer aus dem Gesicht. »Was für ein wahnsinniges Glück«, knurrte er. »Und ich hatte schon befürchtet, es könnte nicht mehr schlimmer werden.«
Das Depot für behördlich entführte Kraftfahrzeuge befand sich im Mauritiuswall, unweit vom Barbarossaplatz, nur ein paar Gehminuten vom Café Regenbogen entfernt – vorausgesetzt, man hatte zwei gesunde Füße und den nötigen jugendlichen Elan. Da Markesch weder das eine noch das andere hatte und es außerdem für einen schweren taktischen Fehler hielt, unmittelbar nach dem Genuß eines dreifachen Whiskys mit den beamteten Automardern zu reden, kehrte er in die nahe Pizzeria Pompeii ein, verzehrte eine Knoblauch-Pizza im Kingsize-Format und spülte sie mit mehreren Espressos hinunter. Er widerstand der Versuchung, die Mahlzeit mit einem Grappa abzurunden, und orderte ein Taxi, das nur Sekunden später mit quietschenden Reifen vor der Pizzeria vorfuhr.
Am Steuer saß Einstein Junior.
Er lächelte erfreut, als er Markesch wiedererkannte. »Mann, Sie sehen ja noch grauenhafter aus als beim letzten Mal! Was ist mit Ihrem Fuß passiert?«
»Kannibalismus.« Er legte den Sicherheitsgurt an und kippte die Rückenlehne nach hinten. »Sonst noch irgendwelche Fragen?«
»Nur die eine – wohin?«
»Zum Mauritiuswall. Aber fahren Sie vorsichtig. Ich bin zu alt, um der Concorde Konkurrenz zu machen.«
»Klar, Mann, sicher, Mann«, sagte Einstein Junior und gab Vollgas, als gälte es, noch vor dem
Weitere Kostenlose Bücher