Eine Koelner Karriere
Wasserglas vom Regal und ließ sich ächzend an seinem Tisch nieder. Sophie trat näher und betrachtete kritisch seine geschwollene Nase, seinen bandagierten Fuß.
»Stirbst du jetzt stückweise, oder ist das nur deine neue Masche, um die Gäste zu vergraulen?«
»Geh mir aus den Augen, Kleines«, knurrte er unwirsch. »In meiner Stimmung bin ich glatt zu einem Mord fähig, und ich möchte nicht wegen dir den Rest meines Lebens in einer Zelle verbringen.«
»Schon verstanden, Quasimodo.« Sie drehte sich um, beugte sich weit über den Tresen, daß er ganz gegen seinen Willen einen tiefen, pulsbeschleunigenden Einblick in ihre schwarze Seidenunterwäsche bekam, und zog einen eng beschriebenen Zettel unter dem Telefon hervor. »Dieser Enke hat für dich angerufen; großherzig, wie ich bin, habe ich alles notiert. Hoffentlich kannst du lesen.«
Sie rauschte davon. Markesch griff nach dem Zettel und studierte Sophies feine Kleinmädchenhandschrift, aber seine Hoffnung auf einen entscheidenden Durchbruch bei den Nachforschungen in Sachen Strapslady wurde enttäuscht. Im Polizeicomputer waren nur wenige Daten über sie gespeichert, und die waren uralt und stammten aus der Zeit, als Astrid Pankrath noch auf dem Straßenstrich am Eigelstein ihrem Gewerbe nachgegangen war. Seit ihrem Wechsel ins Eroscenter an der Hornstraße und später ins Nippeser Hospital D’Amour gab es keine Erkenntnisse über sie, nicht einmal ein Bußgeld wegen falschen Parkens.
Allerdings wies Enke auf einen noch älteren Vorgang hin, der trotz Datenschutzgesetz und Verjährungsfristen in den unergründlichen Polizeiarchiven überwintert hatte – vor zwölf Jahren, mit sechzehn, hatte Astrid Pankrath ihren Vater und ihren ältesten Bruder Wolfgang wegen sexuellen Mißbrauchs angezeigt, die Anzeige kurz darauf aber wieder zurückgezogen. Warum, blieb unklar. Vielleicht war sie von ihrer Familie unter Druck gesetzt worden. Vielleicht war sie vor den Konsequenzen zurückgeschreckt. Oder man hatte ihr bei der Polizei nicht geglaubt. Daß die Sache auch von Amts wegen nicht weiterverfolgt worden war, deutete zumindest darauf hin.
Markesch füllte das Wasserglas bis zum Rand mit Whisky und kippte es in einem Zug hinunter. Das, dachte er düster, erklärt natürlich, warum Astrid Pankrath keinen Kontakt zu ihrem Bruder Wolfgang hat. Diese Ratte! Gott, es ist schrecklich – die eigene Schwester … Für einen Moment war er versucht, zum Telefon zu greifen und Enke über Wolfgang Pankraths Verwicklung in Truckers Kokaingeschäfte zu informieren, aber er zähmte seinen Zorn. Er mußte ökonomisch denken. Vielleicht brauchte er Enkes Hilfe noch einmal, und dann mußte er dem Kommissar eine Gegenleistung bieten können.
Er füllte das Glas auf und brütete nach über sein weiteres Vorgehen.
Sobald er Kress’ Haßliste hatte, konnte er sich noch einmal Trucker vornehmen. Mit Sicherheit kannte der Zuhälter einige von Astrids Kunden, und vielleicht stand einer davon auf der Liste der Kress-Feinde, was ihn sofort zum Haupttatverdächtigen machen würde … Und Denise? Immerhin war sie Astrids Freundin. Möglicherweise wußte sie mehr, als sie bisher zugegeben hatte; ihr Verhalten war jedenfalls nicht unverdächtig. Und er hatte ohnehin noch eine Rechnung mit ihr zu begleichen. Es konnte sich auch lohnen, noch einmal nach Nippes zu fahren und Astrid Pankraths ehemalige Nachbarn zu befragen …
Ein Auto, dachte Markesch. Ich brauche einen neuen Wagen. Noch eine Fahrt mit Einstein Juniors Überschall-Taxi überstehe ich nicht.
Er trank, und draußen verdämmerte der Tag. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit tauchte ein Bote auf und lieferte einen Umschlag mit dem Aufdruck Walter Kress, Stadtverordneter, ab.
Markesch öffnete den Umschlag und fand die erwartete Liste, eine zweiseitige Aufstellung von Namen, die ihm nichts sagten, garniert mit Kress’ handschriftlichem Vermerk, daß die Liste unvollständig war, alle Welt ihn haßte und er für sein gutes Geld endlich Resultate sehen wollte. Eine Stunde später traf Archimedes im Café ein, ein dickes Bündel fotokopierter Zeitungsartikel in der Hand, die Ergebnisse von Apatschen-Joe Arlts Forschungsarbeit in den Archiven des Stadtanzeigers, der Rundschau, des Express und der Stadtrevue, wie er verkündete.
»Die ganze Aktion hat mich deine Fünfhundert und eine Flasche Tequila gekostet«, nörgelte er. »Von der verlorenen Zeit ganz zu schweigen. Ich verlange eine Prämie!«
Markesch ignorierte die
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