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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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ausgestorben.
    Das Kribbeln in Markeschs Nacken wurde stärker. Er drückte langsam die Klinke der Innentür nach unten und blickte in den zweiten Flur, ein schmaler Schlauch, mit Teppichboden ausgelegt, an einer Seite eine Spiegelgarderobe, an der Handtaschen, mehrere leichte Sommerjacken, zwei Damenhüte hingen. Es roch nach einem schweren, süßen Parfüm. Das Licht der Deckenlampe war nach der Dunkelheit draußen fast schmerzhaft hell. Auf der gegenüberliegenden Seite eine weitere Tür, offen, die Tür zum Wohnzimmer: Teppichboden, eine massive Eichenschrankwand, schwere Polstersessel, gedämpftes Stehlampenlicht.
    Und die Stille.
    Vier lautlose Schritte brachten ihn zur Schwelle.
    Dann sah er sie.
    Astrid Pankrath.
    Er erkannte sie sofort, obwohl sie nicht ihre luftige Schwesterntracht aus dem Hospital D’Amour trug, kein Häubchen, keine Strapse, sondern eine Stretchhose mit Leopardenmuster und eine knappe schwarze Bluse, fast zu knapp für die Wölbung ihrer schweren Brüste. Die blonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, aber mehrere Strähnen fielen ihr ins Gesicht, das ganz bleich, ganz starr war, mit gefrorenem Schmerz in den weit aufgerissenen Augen.
    Sie lag auf dem Teppichboden, unnatürlich verkrümmt, die Beine angezogen, den rechten Arm wie abwehrend ausgestreckt, und das Blut … all das Blut, das die tiefe Wunde in ihrem Leib verströmte … die Wunde, die ihr mit dem Messer zugefügt worden war …
    Dem Messer, das Walter Kress in der Hand hielt.
    Er kauerte neben ihr auf dem Boden, den Kopf in der zähflüssigen, dunkelroten Pfütze ihres Blutes, als hätte ihn der Schock der eigenen Untat niedergestreckt, vorübergehend das Bewußtsein geraubt. Um ihn herum, teilweise blutbefleckt, lagen die Negative und die Fotos, die ihn zum Mord getrieben hatten. Von dem Geld, den dreihunderttausend Mark, war nirgendwo etwas zu sehen.
    Aber warum hätte er auch Geld mitnehmen sollen, wenn er ohnehin geplant hatte, mit blanker Klinge zu bezahlen?
    Kress rührte sich.
    Er stöhnte, hob langsam den Kopf, wie betäubt, kreideweiß unter dem Blut, das sein Gesicht in eine verzerrte Maske verwandelte. Er starrte das Messer in seiner Hand an, die Leiche, die verstreut herumliegenden Fotos, sah sich weiter um, wie suchend. In seinen Augen flackerte es: Angst, Panik, eisiges Entsetzen. Er stöhnte, blickte dann hoch, entdeckte Markesch.
    »Das Geld …«, krächzte er. »Es ist weg …«
    Seine Blicke irrten wieder zur Leiche. Seine Lippen bebten.
    »Ich …« Seine Stimme versagte, als hätte ihm die Angst die Kehle zugeschnürt. Das panische Flackern in seinen Augen wich einem flehenden Ausdruck. »Ich habe es nicht getan«, flüsterte er. »Bitte, Sie müssen mir glauben, Markesch. Ich habe es nicht getan. Sie war schon tot, als ich kam. Sie war tot!«
    Erst jetzt schien er das blutige Messer in seiner Hand bewußt zu bemerken. Mit einem Keuchen ließ er es fallen.
    »Sie war tot«, wiederholte er. Es klang wie eine Beschwörung. Zittrig tastete er nach seinem Hinterkopf und zuckte zusammen, als würde ihm die Berührung Schmerzen bereiten. »Die Tür stand offen, verstehen Sie? Ich ging ins Haus, und da sah ich sie. In ihrem Blut. Dann … jemand muß mich niedergeschlagen haben. Aber da war sie schon tot. Sie war tot. Bitte, Markesch, glauben Sie mir. Bitte!«
    Markesch sagte nichts.
    In der Stille waren Kress’ keuchende Atemzüge so laut wie sein eigener Herzschlag.
    Dann durchbrach ein anderes Geräusch die Stille, das ferne Heulen eines Martinshorns, gefolgt von einem zweiten, einem dritten.
    Die Polizei.
    Sie kam näher.
    Immer näher.

 
13
     
    Im ersten Moment war es ihm wie eine großartige Idee vorgekommen, edel, hilfreich und gut, ein leuchtendes Vorbild an Klienten-Solidarität: das Haus verlassen, den Fordtransporter besteigen und die Ermittlungen fortsetzen, ehe die Kolonne der Polizei- und Krankenwagen am Tatort eintraf, alles auf die zweifelhaften Unschuldsbeteuerungen eines Mannes hin, der, blutverschmiert und mit einem Messer in der Hand, neben einer Leiche kniete. Aber während Markesch von der Sicherheit der Bergkuppe aus das aufgeregte Treiben im Tal beobachtete, das Flackern der Blaulichter, das Hin und Her der Polizisten und Sanitäter, das Eintreffen weiterer Einsatzfahrzeuge, nagten bereits die ersten Zweifel an seinem Entschluß.
    Schließlich kannte er die Polizei; er wußte, daß sie auf manche Dinge äußerst empfindlich reagierte. Zum Beispiel auf einen

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