Eine Koelner Karriere
für die Negative in die Höhe zu treiben? Würde sich eine Frau wie Corinne mit dreihunderttausend Mark zufrieden geben, nach allem, was Kress ihr angetan hatte?
Oder wußte sie gar nichts von Astrid Pankraths Forderung? Handelte die Pankrath auf eigene Rechnung?
Denkbar war es.
Denkbar war noch mehr: daß Walter Kress eine böse Überraschung erlebte, wenn er allein, ohne professionelle Hilfe, mit einem Koffer voller Geld zur Übergabe ging. Erpresser hielten sich nur selten an Abmachungen. Vielleicht bekam Kress für seine Dreihunderttausend ja wirklich die Abzüge und Negative, aber wer wußte schon, wie viele Abzüge tatsächlich existierten? Warum sollte die Pankrath ihr Druckmittel aus der Hand geben, solange die Geldquelle sprudelte? Wer binnen eines Tages soviel Geld flüssig machen konnte, bei dem war bestimmt noch mehr zu holen …
Markesch trank einen großen Schluck Scotch, verschraubte die Flasche sorgfältig und steckte sie in die Seitentasche seiner Lederjacke.
Nun, Kress mochte ihn gefeuert haben, aber er ließ sich von keinem Klienten feuern, solange der Fall nicht restlos aufgeklärt und der Spesenfond nicht erschöpft war. Außerdem gab es noch so etwas wie Berufsstolz. Er hatte einen Ruf zu wahren. Von seiner Bonität ganz zu schweigen. Er brauchte die zehntausend Mark Erfolgsprämie, und er würde sie bekommen. Wenn er nebenbei Walter Kress vor einem verhängnisvollen Fehler bewahrte, um so besser.
In einer Stunde sollte die Übergabe des Geldes stattfinden.
Aber wo?
An irgendeinem neutralen Ort, einem Restaurant oder Café?
Nein, Kress würde sich in seiner Paranoia wohl kaum in aller Öffentlichkeit mit einer Nutte treffen.
Also in Lindlar, in Corinnes Landhaus, wo sich Astrid Pankrath seit Wochen versteckte?
Ein Auto, dachte Markesch, ich brauche ein Auto. Sofort.
Einstein Juniors Überschalltaxi fiel aus, und im Interesse seiner Gesundheit war es auch besser so. Aber woher dann ein Auto nehmen?
Er sah Archimedes an.
»Ich brauche deinen BMW«, sagte er. »Jetzt.«
»In deinem Zustand solltest du nicht mehr fahren, Filos«, meinte der Grieche mit vielsagendem Blick zu der Whiskyflasche in seiner Tasche. »Außerdem könnte ich dir meinen BMW nicht einmal dann geben, wenn ich es wollte – er ist in der Werkstatt.«
»Was ist mit dem Lieferwagen?«
»Nur über meine Leiche!«
»Die Schlüssel«, verlangte Markesch barsch. »Es geht um meinen Schnüfflerruf. Da kommt es auf eine Leiche mehr oder weniger nicht an.«
»Das ist Erpressung!« zeterte Archimedes. Doch er seufzte resignierend und drückte ihm die Schlüssel in die Hand. »Fahr bloß vorsichtig. Der Laderaum ist voller Flaschen, und wenn du einen Unfall baust …«
»Die ganze Stadt ist voller Flaschen«, brummte er und riß die Tür auf.
»He, verdammt, so warte doch! Wir haben immer noch nicht über die Zukunft des Cafés gesprochen. Nach der Renovierung wird es …«
Die Tür fiel zu und verschluckte den Rest des Satzes. Zum Teufel mit der Zukunft des Cafés, jetzt ging es um seine Zukunft als Privatschnüffler! Markesch fand den Lieferwagen, einen beigen Ford Transit mit dem farbenprächtigen Regenbogen-Emblem an beiden Seiten, eine Straße weiter nahe der St. Nikolaus-Kirche geparkt. Er stieg ein und stellte fest, daß Archimedes nicht zuviel versprochen hatte – der Laderaum war bis zur Decke mit Kisten und Kartons voller Spirituosen gefüllt, die gesamten Schnapsvorräte des Cafés, eine Szene wie aus Alki im Wunderland.
Vielleicht war es das, was ihm Archimedes schon seit Tagen beizubringen versuchte – vielleicht wollte er das Regenbogen in eine mobile Kneipe verwandeln, eine Art Destille auf Rädern, funkgesteuert, Lieferung frei Haus.
Er ließ den Motor an.
Ihm sollte es recht sein. Hauptsache, Archimedes verstieg sich nicht dazu, Einstein Junior ans Steuer seiner Mobildestille zu lassen.
Er fuhr los, fädelte sich in den ruhigen Abendverkehr ein und rollte mit gemächlichem Tempo über die Berrenrather Straße durch die Frühlingsnacht, begleitet vom aufgeregten Klirren der Flaschen im Laderaum. Bald hatte er die Innere Kanalstraße erreicht und folgte ihr nach Norden, bis sie in Neuehrenfeld nach Osten abknickte und ihn an der Flora vorbei zur Zoobrücke brachte. Der Rhein unter ihm war ein schwarzes, glitzergesäumtes Band, und im Süden überragten die illuminierten Türme des Doms das Lichtermeer der Altstadt. Hinter der Brücke begann die Autobahn. Nach den Höllenfahrten mit Junior hatte
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