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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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er das Gefühl, sich im Schneckentempo zu bewegen, und er drückte das Gaspedal bis zum Boden durch. Sofort steigerte sich das Klirren der Flaschen zu einem ohrenbetäubenden Lärm, als wollte der ganze Ford in tausend Scherben zerspringen, und mit einer Verwünschung nahm Markesch das Gas weg.
    Es dauerte eine Ewigkeit, wie ihm schien, bis er an der Ausfahrt Untereschbach die Autobahn verlassen hatte und den kurvigen Landstraßen folgte, die das Oberbergische wie Asphaltmesser kreuz und quer zerschnitten. Lindlar lag westlich von Gummersbach, aber nach der langen, labyrinthisch verschachtelten Berg-und-Tal-Fahrt zu urteilen, die ihn durch finstere, gottverlassene Forste und vorbei an den Lichtinseln vereinzelter Dörfer führte, hätte es ebensogut in Sibirien angesiedelt sein können.
    Als er das Städtchen endlich erreicht hatte, war die Scotchflasche in seiner Tasche leer.
    Von Lindlars Stadtmitte, die diesen Namen nur wegen dem Busbahnhof und einem überdimensionierten Warenhaus verdiente, führte ihn der Weg fast senkrecht einen steilen Hang hinauf. Auf der Bergkuppe, malerisch über dem Tal thronend, empfingen ihn die hell erleuchteten Fenster einer Einfamilienhaussiedlung inklusive Dorfkrug, der allerdings bereits geschlossen hatte.
    Corinne von Bohlens Landhaus lag noch ein ganzes Stück weiter, an einer Kreuzung am Fuß des Berges, weit entfernt von der nächsten menschlichen Behausung. Es war ein zweistöckiges, weißverputztes Gebäude mit braunlackierten Holzbaikonen, Doppelgarage und einem großzügigen Garten mit Millimeterrasen, Rosenstöcken und einem Dutzend Obstbäumen. In der Einfahrt, vor der geschlossenen Garage, stand ein schwerer, teurer Mercedes mit Kölner Kennzeichen. Die Rolläden im Erdgeschoß waren heruntergelassen, doch durch die Ritzen schimmerte Licht. Über der Haustür hing eine schmiedeeiserne, gelbverglaste Lampe, aber sie brannte nicht. Zwischen den Obstbäumen und Sträuchern des Gartens lauerte die Dunkelheit und schien nur darauf zu warten, daß auch im Haus das Licht erlosch, um lautlos über es herzufallen.
    Markesch hielt in einiger Entfernung vom Haus an und spähte zur Einfahrt hinüber. Gehörte der Mercedes Walter Kress? Und wie lange war er schon da?
    Höchstens fünfzehn oder zwanzig Minuten, entschied Markesch; der Mercedes war zwar schneller als sein Flaschentransporter, aber die kurvenreichen Landstraßen begrenzten die Geschwindigkeit, vor allem in der Nacht.
    Er stieg aus, drückte leise die Tür ins Schloß, machte zwei, drei Schritte auf das Haus zu und verharrte plötzlich. Seine Nackenhärchen richteten sich auf, Gänsehaut überzog kribbelnd seinen Rücken.
    Irgend etwas stimmte nicht.
    Irgend etwas war ganz und gar falsch.
    Er griff unter seine Jacke, umschloß mit der Hand den kühlen Knauf der Magnum und sah sich mißtrauisch um.
    Nichts.
    Nur die einsame Kreuzung, die düsteren Hänge und in der Ferne vereinzelte Lichter. Keine Bewegung, keine Menschenseele. Aber das Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmte, wurde stärker, bedrohlich. Sein Herz schlug schnell und laut in seiner Brust, zu schnell und viel zu laut …
    Und dann begriff er.
    Die Stille.
    Es war die Stille.
    In der Stadt wurde es nie ganz still. Das ewige Dröhnen des Verkehrs, das Sirenengeheul von Polizei- und Krankenwagen, das Geschrei betrunkener Nachtschwärmer, Musik aus Kneipen und Nachbarwohnungen … Aber hier auf dem Land gab es nur den Wind, der in den Baumwipfeln flüsterte, und das Pochen des eigenen Herzens.
    Unwirsch schüttelte er die Beklemmung ab und humpelte zum Haus.
    Erst als er den Mercedes passiert hatte und die kurze Treppe zum Eingang hochstieg, bemerkte er, daß die Tür nur angelehnt war. Hinter dem Spalt war es dunkel. Auf seiner Stirn erschien eine steile Falte. Die Zeiten, wo man sich auf dem Land vor Dieben und Einbrechern sicherer gefühlt hatte als in der Stadt, waren längst vorbei. Und der chronisch mißtrauische Walter Kress würde kaum die Tür auflassen, wenn er mit Astrid Pankrath über die Herausgabe der kompromittierenden Fotos verhandelte …
    Vielleicht war sein Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmte, doch nicht allein auf die Stille zurückzuführen.
    Er entsicherte die Magnum und stieß die Tür weiter auf. Sie war gut geölt und knarrte nicht. Ein hell gefliester Flur, eine Treppe zum ersten Stock, eine weitere Tür, geschlossen diesmal. Unter der Tür fiel Licht hindurch.
    Die Stille hielt an.
    Keine Stimmen, kein Laut.
    Das Haus wirkte wie

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