Eine Krone für Alexander (German Edition)
danach trafen im Lager malerisch ausstaffierte Gesandte
ein. Sie kamen von Kothelas, dem König der Geten, eines thrakischen Volkes, dessen
Siedlungsgebiet jenseits des Haimos am Unterlauf des Istros lag. Abends in
seinem Zelt zeigte der König Alexander eine Karte, auf der Thrakien und die
angrenzenden Gebiete dargestellt waren.
„Jenseits des Haimos leben wilde Barbarenstämme, die
Skythen, Geten, Triballer und so fort. Dort oben herrscht ständig Unruhe, von
Norden rücken immer neue Stämme nach, einer verdrängt den anderen, und
plötzlich sind alle in Bewegung und drängen nach Süden. Wir müssen sicherstellen,
dass sie nicht eines Tages über den Haimos kommen und uns hier in Thrakien
Ärger machen. Die Geten könnten dabei wertvolle Verbündete sein.“
Alexander nutzte die Gelegenheit zu einer Frage, die ihn
schon länger beschäftigte. „Wenn du die Eroberung Thrakiens abgeschlossen hast,
was machst du dann damit?“
Der König lachte. „Bestimmt werde ich keinen unzuverlässigen
thrakischen Häuptling zum König zu machen, damit er mir gleich wieder in den
Rücken fällt. Nein, ich werde das Land völlig neu organisieren, besonders das
Steuerwesen und den Bergbau – Thrakien ist reich an Metallen, vor allem an
Gold. Außerdem gründe ich überall im Land Städte als Verwaltungs- und
Wirtschaftszentren. Hier ist Kabyle, und hier sind die anderen: Beroë, Bine,
Drongylos und Masteira.“ Er zeigte auf verschiedene Punkte auf der Karte. „Die
wichtigste Gründung ist jedoch Philippopolis, hier am Oberlauf des Hebros, wo
sich wichtige Verkehrswege kreuzen.“
„Philippopolis?“
„Benannt nach meiner Wenigkeit.“ Philipp tippte mit dem
Daumen an seine Brust. „In Hunderten von Jahren, wenn kaum noch ein Mensch sich
an uns und unsere Zeit erinnert, wird es Philippopolis vielleicht noch geben,
und die Menschen werden an mich denken. Auch eine Art von Unsterblichkeit. Aber
zurück in die Gegenwart: Ich werde in Thrakien einen Strategen einsetzen, der
nur mir persönlich verantwortlich ist. Stratege bedeutet in diesem Fall nicht
einfach nur Heerführer, sondern ihm wird auch die gesamte Zivilverwaltung
unterstehen. Er ist also so etwas Ähnliches wie ein Satrap bei den Zipfelmützen.“
„Zipfelmützen?“
„Die Perser – wegen dieser komischen Kapuzen. Was die
Thraker betrifft, so werden sie von nun an Hilfstruppen für unsere Armee
stellen. Reiter, Leichtbewaffnete, Speerwerfer.“
„Ist es nicht gefährlich, sie in unsere Armee aufzunehmen?“
„Nö. Die Thraker werden bald merken, dass sie gut mit uns
fahren, und für die Dinge, die da kommen werden, können sie für uns von großem
Nutzen sein.“
„Welche Dinge meinst du?“, fragte Alexander, sofort
hellhörig geworden. „Etwa einen Feldzug gegen die Perser?“
Philipp faltete die Hände hinter dem Kopf und musterte
geheimnistuerisch die Zeltdecke.
„Hattest du wirklich ein Geheimabkommen mit diesem Hermeias?“,
bohrte Alexander weiter.
„Woher weißt du denn das schon wieder? Hat Aristoteles etwa
nicht dichtgehalten?“
„Doch, hat er, aber ich habe zwei und zwei zusammengezählt.“
Philipp lachte dröhnend. „So, du hast zwei und zwei zusammengezählt?
So jung und schon so gerissen? Du wärest tatsächlich ein würdiger Nachfolger
für so schlitzohrige Könige wie Alexander, den sogenannten Griechenfreund,
Wackel-Perdikkas und Intrigen-Archelaos. Und nicht zuletzt für mich selbst, den
hinterhältigsten und ausgekochtesten Halunken seit Menschengedenken, jedenfalls
wenn man Demosthenes glauben will.“
Nachdem die Arbeiten in Kabyle erledigt waren, brach der
König mit der Armee in den Osten Thrakiens auf, um Parmenion zu helfen, die letzten
Widerstandsnester auszunehmen. Alexander und seine Gefährten traten den Rückweg
an. Sie begleiteten eine Abteilung von Verwundeten, die nach Pella zurückkehren
sollte.
„Philippopolis!“, sagte Alexander zu seinen Freunden, als
sie Kabyle hinter sich ließen. „Amphipolis, Pydna und Methone. Thessalien. Die
Chalkidike. Jetzt Thrakien. Und irgendwann vielleicht Asien und die Perser.
Mein Vater wird mir rein gar nichts mehr zu tun übrig lassen!“
11
In Mieza hielt Antigenes den ruhmbedeckten Rückkehrern eine
längere Ansprache, um sie nach ihrem Höhenflug möglichst schnell wieder auf den
harten Boden der Realität herunterzuholen.
„Wie ich höre, durftet ihr in Thrakien ein bisschen mit
euren Waffen herumfuchteln. Jetzt denkt ihr wahrscheinlich, ihr seid
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