Eine Krone für Alexander (German Edition)
Für alle anderen bleibt nur die Phalanx. Doch wenn wir
die Pezhetairen ausbauen, hätten auch die Bauernsöhne eine Chance, sich als Gefährten
des Königs fühlen zu können.“
„Aber den Adelssöhnen bei den ursprünglichen Pezhetairen
würde es nicht gefallen“, schaltete sich Parmenion ein. „Und außerdem müssten
wir die beiden Einheiten, die neue Feldtruppe und die Leibgarde, irgendwie
auseinanderhalten können.“
„Wir könnten der Leibgarde den Namen Königliche Pezhetairen
verleihen.“
„Hm“, überlegte Philipp. „Wir sollten das ernsthaft in Erwägung
ziehen. Wie wär’s, wenn du das in die Hand nimmst, Alexander? Kläre erst mal
die organisatorischen Fragen – Bewaffnung, Ausbildung, Auswahl der geeigneten Leute
…“
Alexander strahlte seinen Vater an. „Ich werde mich darum
kümmern.“
Theopompos, der Geschichtsschreiber, fragte alle Teilnehmer
des Feldzugs nach den Skythen aus. Er war inzwischen bei Buch achtundzwanzig
seiner Philippischen Geschichte angekommen und plante
einen Skythenexkurs. Herodots Erkenntnisse seien mittlerweile veraltet, meinte
er.
„Warum bist du nicht einfach mitgekommen und hast aus erster
Hand Informationen gesammelt?“, fragte Alexander.
„Viel zu gefährlich“, winkte Theopompos ab. „Man sieht ja,
was dem König zugestoßen ist. Stell dir vor, das wäre mir passiert!“
„Das klingt fast so, als ob du dein Wohlergehen für
wichtiger hältst als das der Hauptperson deines literarischen Schaffens.“
„Natürlich.“ Der Geschichtsschreiber fuchtelte mit seinem
Schreibgriffel herum und stach Löcher in die Luft. „Welchen bleibenden Wert
werden Philipps Taten haben, wenn es niemanden gibt, der sie kongenial und in
literarisch anspruchsvoller Form der Nachwelt vermittelt?“
„Aber wenn dem König etwas passiert, dann hast du nichts
mehr, worüber du schreiben kannst.“
„Nicht unbedingt. Der König ist mir zeitlich ziemlich weit voraus.“
„Wo bist du denn jetzt?“
„Beim Krieg gegen Olynthos.“
„Erst?“, staunte Alexander. „Offenbar braucht mein Vater
weniger Zeit, um seine Taten zu vollbringen, als du, um über sie zu schreiben.“
„Das liegt in der Natur der Sache. Intellektuelle Arbeit ist
weit komplexer als die von Politikern, Feldherren und anderen Leuten der Tat.
Können wir jetzt auf die Skythen zurückkommen?“
Philipp nutzte die Zeit, um in aller Ruhe sein Bein
auszukurieren. Die Wunde heilte schnell, zur Zufriedenheit der Ärzte.
Allerdings zeichnete sich ab, dass das Bein steif bleiben und der König für den
Rest seines Lebens hinken würde. Der Arzt Philippos wurde nicht müde zu
betonen, er könne sich glücklich schätzen, dass er das Bein nicht verloren
habe.
Wie Philipp vorausgesagt hatte, hatten die Amphiktyonen im
Heiligen Krieg gegen Amphissa bislang keine nennenswerten Fortschritte erzielt.
Schuld waren die Athener und damit Demosthenes, der Philipp um nichts in der
Welt einen Anlass geben wollte, noch einmal im Süden zu intervenieren.
Vordergründig gesehen herrschte also Ruhe in Griechenland, doch Alexander wurde
das Gefühl nicht los, dass sich hinter den Kulissen Bedeutsames abspielte.
Philipp tat nach wie vor sehr geheimnisvoll, wollte aber nicht mit der Sprache
herausrücken.
In der Zwischenzeit kümmerte Alexander sich voller Begeisterung
um den Auftrag, den sein Vater ihm erteilt hatte: die Aufstellung der neuen
Pezhetairen-Einheit. Er sprach mit den Taxiarchen und den untergeordneten
Phalanx-Offizieren, welche ihrer Leute für diese Beförderung infrage kamen,
kümmerte sich um Ausrüstung und Ausbildung und klärte die organisatorischen
Fragen. Zu Beginn des Herbsts steckte er noch mitten in den Vorbereitungen für
die Reform, als er eines Tages überraschend zum König beordert wurde.
In Philipps Arbeitszimmer herrschte hektischer Trubel. Offiziere
und Verwaltungsbeamte kamen und gingen, holten sich ihre Befehle ab und machten
bedeutungsvolle Gesichter. Der König stand mit Parmenion und Antipatros über
den Tisch gebeugt und studierte eine Karte, ohne sich um sein angeschlagenes
Bein zu kümmern. In einer der Ecken hockte Eumenes an seinem Schreibpult und
machte fleißig Notizen.
„… und dann bei Herakleia in die Berge“, sagte Parmenion
gerade.
Philipp blickte kurz auf, als Alexander zur Tür hereinkam.
Er wirkte wie ausgewechselt. Alle Ruhe und Gelassenheit waren von ihm
abgefallen, nun schien er vor Tatkraft zu vibrieren.
„Geht es los?“, fragte Alexander
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