Eine Krone für Alexander (German Edition)
erwartungsvoll.
„Ja, es geht los“, antwortete Philipp. „Heute Morgen ist ein
Bote aus Delphi eingetroffen. Das Synhedrion der Amphiktyonie hat mich zum
Hegemon im Heiligen Krieg gegen Amphissa ernannt.“
„Dich?“, fragte Alexander verblüfft. Das war das Letzte, was
er erwartet hatte.
„Warum nicht?“ Philipp ließ sich auf einen Stuhl fallen und
streckte vorsichtig sein Bein aus. Längeres Stehen fiel ihm immer noch schwer.
„Aber du bist doch mit Amphissa verbündet!“
„Na und?“ Wie er so dasaß und den Kopf schief legte, sah
Philipp aus wie ein einäugiger Kater, der gerade eine dicke Maus gefangen hatte
und nun überlegte, wie er sie sich am besten einverleibte. „Denk mal nach: Ich
bin es, der Delphi schon von den frevlerischen Phokern befreit hat. Was liegt
also näher, als mich mit der Führung des neuen Heiligen Krieges zu beauftragen?
Mich, den Retter von Delphi, den Wohltäter des Heiligtums des Apollon?“
Antipatros, der einen Sinn für schrägen Humor besaß, kicherte
leise vor sich hin. Auch Alexander entging die feine Ironie der Situation
nicht. „Nun bist du also mit dem Krieg gegen deinen eigenen Verbündeten
beauftragt worden“, sagte er grinsend.
„Damit hat Demosthenes nicht gerechnet“, fiel Antipatros
begeistert ein. „Mit seiner Verzögerungstaktik hat er nur erreicht, dass die
Amphiktyonen die Geduld verloren haben. Er hat sie uns praktisch in die Arme getrieben.“
„Wann brechen wir auf?“, wollte Alexander wissen.
„Sofort“, antwortete Philipp.
„Obwohl der Winter vor der Tür steht?“
„Gerade deshalb. Alle gehen davon aus, dass wir uns erst im
kommenden Frühjahr blicken lassen, nach langer Vorbereitung und großem Tamtam.
Kein Mensch rechnet damit, dass wir sofort kommen. Und genau deshalb werden wir
genau das tun. Ehe die Griechen überhaupt merken, was vor sich geht, stehen wir
schon vor ihrer Haustür.“
„In diesem Moment ziehen wir alle Truppen zusammen, die in
Pella und Umgebung stehen“, sagte Parmenion. „Ungefähr zehntausend Mann zu Fuß
und tausend Reiter. In drei Tagen können sie nach Süden aufbrechen.“
„Parmenion bleibt in Makedonien zurück und mobilisiert den
Rest der Armee, die größte, die Makedonien je unter Waffen hatte.“ Philipp, der
immer noch mit hinter dem Kopf verschränkten Händen dagesessen hatte, ließ nun
die Arme sinken und richtete sich auf. Sein Blick weitete sich. „Zwanzig Jahre
habe ich gebraucht, um meine Armee aufzubauen. Zwanzig Jahre, um sie
auszubilden und auszurüsten, Taktiken auszuprobieren und Manöver einzuüben.
Jetzt habe ich die beste und kampferfahrenste Truppe der Welt. Und der
Zeitpunkt ist gekommen, sie einzusetzen.“
5
Elateia war eine Stadt, die es eigentlich nicht gab. Nachdem
Philipp die Phoker zehn Jahre zuvor im Heiligen Krieg besiegt hatte, sollten
ihre Städte zerstört und die Einwohner in kleine Dörfer umgesiedelt werden.
Elateia war die größte phokische Stadt gewesen, weshalb sie gar nicht mehr
hätte existieren dürfen. Und doch gab es sie nach wie vor. Über eine
Befestigung verfügte sie allerdings nicht mehr, und das vereinfachte die Sache
aus Philipps Sicht erheblich.
Mit seinem Vorrücken auf Elateia hatte der König alle überrascht.
Wieder einmal hatte er den Geheimnisvollen gespielt, doch diesmal hatte Alexander
nicht sich nicht abspeisen lassen. „Die Griechen sind dumm“, hatte Philipp
schließlich gesagt. „Sie machen immer wieder die gleichen Fehler. Die Sache mit
den Thermopylen hat schon in den Perserkriegen nicht funktioniert – Xerxes hat
die Stellung der Griechen damals einfach umgangen. Genau das werden auch wir
tun. Bei Herakleia schlagen wir uns in die Berge. Während die Thebaner in
Nikaia noch nach uns Ausschau halten, stehen wir schon in ihrem Rücken.“
Alexander hatte ein skeptisches Gesicht gemacht. „Wissen sie
in Herakleia, dass wir kommen?“
Philipp hatte ihn mitleidig angesehen. „Was dachtest du denn?
Seit wir nach Pella zurückgekehrt sind, stehe ich mit ihnen in Verbindung.
Immerhin trägt die Stadt den Namen meines Vorfahren.“
„Du hast doch nicht wieder Herakles ein Standbild versprochen
oder so etwas?“
„Nein. Wie kommst du darauf?“
Bei Herakleia war die Armee in das Tal des Asopos abgebogen
und dem kleinen Fluss in die Berge gefolgt, begleitet von ortskundigen Führern,
die die Bürger der Stadt zur Verfügung gestellt hatten. So hatte die Armee das
Tal des Kephisos erreicht, jenseits der Thermopylen.
Weitere Kostenlose Bücher