Eine Krone für Alexander (German Edition)
Sonnenlicht.
Hier, kurz hinter der boiotischen Grenze, standen sich die
feindlichen Armeen gegenüber. Nachdem Parmenion eingetroffen war, hatte Philipp
eine gewaltige Streitmacht unter Waffen: etwa dreißigtausend Mann zu Fuß und zweitausend
Reiter. Seine Gegner waren in etwa genauso stark, da die verbündeten Athener
und Thebaner inzwischen aus fast ganz Griechenland Verstärkung erhalten hatten.
Aus Korinth und Megara, aus Akarnanien und Aitolien, von Euboia und der
Peloponnes und sogar von den Inseln in der Ägäis waren Aufgebote zu ihnen
gestoßen. In der Ebene von Chaironeia stand die größte Ansammlung von Bewaffneten,
die Griechenland seit den Perserkriegen gesehen hatte. Monatelang hatte Philipp
immer wieder Gesandte nach Athen und Theben geschickt. Die Verhandlungen hatten
lange gedauert und nichts gebracht. So war es schließlich Sommer geworden, ehe
es zur Entscheidung kam.
Unterhalb des verschlafenen Städtchens Chaironeia hatte Philipp
das Lager aufschlagen lassen und den Rest des Tages damit zugebracht, mit
seinem Stab das Gelände abzureiten und die Meldungen der Kundschafter
entgegenzunehmen. Am frühen Abend wurde der Kriegsrat einberufen, an dem alle
höheren Offiziere teilnahmen, die Taxiarchen der Phalanx, die Ilarchen der Reiterei
und die Befehlshaber der übrigen Truppenteile.
Parmenion ergriff als Erster das Wort. „Der Feind hat seine
Stellung gut gewählt und sperrt die Kephisos-Ebene in voller Breite, von
Chaironeia am Abhang des Thurion bis hinüber zum Fluss und dem angrenzenden
Sumpfgebiet. Jenseits davon steigen die Hänge des Akontion an, also keine
Möglichkeit, den Feind irgendwo zu umgehen und in der Flanke zu fassen.“
Parmenion bewegte den Finger über die Karte, während die
Offiziere sich um den Tisch drängten. Auch Alexander, gerade achtzehn geworden,
beugte sich darüber und versuchte, sie mit seiner Erinnerung an das Gelände in
Einklang zu bringen.
„Die Athener werden den linken Flügel bilden, etwa zehntausend
Mann. In der Mitte stehen die Kontingente der Korinther und der übrigen Verbündeten,
dazu fünftausend Söldner. Auf dem rechten Flügel dann der dickste Brocken: die
Thebaner, insgesamt zwölftausend, ganz rechts die Heilige Schar. Nun zu unserer
eigenen Aufstellung. Die Phalanx wird nicht parallel zur gegnerischen
Schlachtlinie Stellung beziehen, sondern nur auf dem äußersten rechten Flügel,
also gegenüber den Athenern, Kontakt zu ihr haben. Die anderen stehen im
spitzen Winkel nach hinten gestaffelt.“
Viele Offiziere machten überraschte Gesichter wegen dieser
unorthodoxen Strategie, doch Parmenion rasselte ungerührt die Aufstellung der
Phalanx herunter, bis jeder Taxiarch die Position kannte, die seine Taxis am
Morgen einzunehmen hatte. Parmenion würde den mittleren Abschnitt kommandieren,
Philipp den rechten. „Auf dem äußersten linken Flügel wird unsere Reiterei
positioniert sein, verstärkt durch die thessalische Reiterei, unter einem
gemeinsamen Oberbefehl.“
Parmenion machte eine Pause, offenbar mit voller Absicht.
Alexander hätte ihn am liebsten erwürgt. Offenbar gedachten er und Philipp
wieder eines ihrer Spielchen zu spielen. Er biss die Zähne zusammen, das Schweigen
dauerte an, und die Spannung war für jeden im Zelt deutlich zu spüren.
Schließlich stellte der höchste anwesende Reiteroffizier, der Ilarch der Hetairen-Reiterei,
die Frage der Fragen. Sein Name war ebenfalls Alexander, Sohn des Aëropos; er
war ein Verwandter von Königin Eurydika, stammte also aus dem früheren
Königshaus von Lynkestis.
„Wer hat das Kommando?“
„Alexander.“ Wieder machte Parmenion eine Pause, ehe er
hinzusetzte: „Sohn Philipps.“
Alexander, dem erst jetzt auffiel, dass er die Luft
angehalten hatte, atmete aus und bemühte sich, es möglichst geräuschlos zu tun.
Philipp warf Parmenion einen Verschwörerblick zu und grinste dann zu seinem Sohn
herüber. Alexanders Namensvetter aus Lynkestis schlug ihm kameradschaftlich auf
die Schulter. Als Ilarch der Hetairen-Reiter hätte auch er Anspruch auf das Oberkommando
anmelden können, doch er schien nicht beleidigt zu sein. Wahrscheinlich hatte
Philipp sich zuvor mit ihm abgesprochen, das hätte auch das verschwörerische
Grinsen des Lynkesten erklärt.
Damit war der heitere Teil der Veranstaltung gleich wieder
vorüber. Parmenion fuhr fort: „Über das Folgende werden alle Anwesenden
strengstes Stillschweigen bewahren! Erst unmittelbar vor dem Aufmarsch im Morgengrauen
werdet
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