Eine Krone für Alexander (German Edition)
Mantineia
fiel.“
Sie ritten schweigend weiter. Philipp schien ganz in seinen
Erinnerungen versunken zu sein. Um ihn zum Weiterreden zu bewegen, fragte
Alexander: „Wie war es in Theben?“
Philipp sah auf, dann lachte er verächtlich. „Natürlich war
ich für sie dort immer nur der Barbar, der Barbar aus dem Norden. Aus dem Land,
das in jeder Generation mindestens einmal am Rande des Abgrunds stand. Dem
Land, in dem es nur ungebildete Bauern und Hirten gab, die noch in Tierfelle
gekleidet herumliefen. Philipp, der Barbar!“ Der König spuckte aus. „Aber
Epameinondas war anders. Ein integrer Mann, ohne Gemeinheit, ohne Vorurteile.
Hat mich immer anständig behandelt. Er und sein Freund Pelopidas, der Anführer
der Heiligen Schar. Alles, was ich kann und weiß, verdanke ich den beiden.“
„Memnon hat mir erzählt, dass du die makedonische Armee nach
thebanischem Vorbild reformiert hast.“
„Das ist richtig. Ich habe meine Zeit in Theben genutzt. Bin
auf die Exerzierplätze gegangen und habe Epameinondas und Pelopidas bei der
Arbeit zugeschaut, ihnen Löcher in den Bauch gefragt, die Ohren aufgesperrt und
jedes Wort in mich eingesogen. Als ich nach Hause zurückkehrte, war ich mit
meinen siebzehn Jahren wahrscheinlich der größte Militärexperte im Land.
Perdikkas erteilte mir den Auftrag, die makedonische Armee, oder das, was man
damals dafür hielt, neu zu organisieren.“
„Memnon sagte immer, deine Armee werde eines Tages die beste
in ganz Griechenland sein.“
Philipp lachte. „Da hatte er verdammt recht, und nach dem
morgigen Tag werden alle es wissen.“
„Diese merkwürdige Schlachtaufstellung morgen …“
„… habe ich bei Epameinondas abgeguckt. Die schiefe
Schlachtordnung – damit hat er die Spartaner bei Leuktra besiegt. Hat auf der
linken Flanke losgeschlagen und die Schlacht dort entschieden. Ich habe seine
Taktik nur etwas verfeinert, durch den vorgetäuschten Rückzug auf dem rechten
Flügel.“
Philipp zügelte sein Pferd und sah über die Ebene von
Chaironeia hinüber zu den feindlichen Stellungen.
„Ich werde die Thebaner mit ihrer eigenen Taktik schlagen!
Ich, Philipp! Nicht mehr der Barbar aus dem Norden, sondern der neue
Agamemnon!“
Alexander stieg ab und führte Bukephalos in die Koppel zu
den anderen Armeepferden. Inzwischen war es dunkel geworden, doch er war zu
aufgewühlt, um sich schlafen zu legen. Während er sein Pferd versorgte, spürte
er eine Präsenz in seinem Rücken. „Kannst du auch noch nicht schlafen?“, fragt
er, ohne sich umzudrehen.
Hephaistion trat neben ihn. „Hast du Augen im Hinterkopf? An
dich kann man sich wohl nie heranschleichen, ohne dass du es merkst.“
Zusammen schlenderten sie durch das Lager, in dem bereits
weitgehend Ruhe eingekehrt war. Ein paar Soldaten saßen noch an den Feuern und
redeten halblaut, doch die meisten hatten sich schon in ihre Zelte
zurückgezogen. Morgen würde es Ernst werden, und jeder brauchte seinen Schlaf.
Deshalb sorgten die Offiziere für Ruhe, auch wenn mancher noch wach lag und
unruhig an den kommenden Tag dachte.
„Bist du zufrieden?“, fragte Hephaistion. „Nun hast du,
wovon du immer geträumt hast: den Befehl über die Reiterei.“
„Ja, und von uns wird morgen alles abhängen. Von uns und
unserem Angriff.“
„Wo seid ihr gewesen, du und dein Vater?“
„Auf dem Schlachtfeld. Dort, wo morgen die Thebaner stehen
werden. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum er mir den Befehl auf dem
linken Flügel anvertraut hat: damit er ihnen nicht selbst gegenübertreten muss.
Er denkt immer noch an seine Zeit in Theben zurück. Bis zuletzt hat er gehofft,
sie wieder auf seine Seite ziehen zu können.“
„Die Thebaner“, sagte Hephaistion leise. „Morgen wird dort
drüben auch die Heilige Schar stehen. Hundertfünfzig Liebespaare, die einander
Treue geschworen haben bis in den Tod. Aristoteles sagt, dass sie ihren Eid am
Altar des Iolaos ablegen, des Geliebten des Herakles.“
„Die Heilige Schar wurde noch nie besiegt.“ Alexander blieb
stehen und hielt Hephaistion am Arm fest. „Erinnerst du dich noch an Platons Symposion? Er sagt, würde man eine Armee aus Liebenden aufstellen,
dann wäre sie unbesiegbar. Denn ein Mann würde es wohl
weniger ertragen, von seinem Geliebten gesehen zu werden, wie er die Kampfreihe
verlässt oder die Waffen wegwirft, als von jedem anderen; lieber würde er einen
vielfachen Tod erleiden. Und niemand ist so feige, dass er seinen Geliebten im
Stich
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