Eine Krone für Alexander (German Edition)
mich entschuldigen für die Bescheidenheit unseres
kleinen Symposions“, erklärte er. „Es ist sicher nicht vergleichbar mit den
glanzvollen Festen am königlichen Hof in Pella.“
Antipatros murmelte höflich, die athenischen Symposien seien
auch in Pella für ihre Kultiviertheit berühmt, und er fühle sich geehrt, an
einer solchen Festivität teilnehmen zu dürfen. Das Essen war in der Tat eher
schlicht, ganz wie Philotas gewarnt hatte, dafür war der Wein umso besser. Eine
einsame Flötenspielerin bestritt züchtig gekleidet den unterhaltsamen Teil des
Abends, wahrscheinlich Isokrates’ Zugeständnis an den von ihm unterstellten
Geschmack seiner Gäste.
„In meinem Alter hat man genug vom Trubel und zieht eine
Atmosphäre der Ruhe und Kontemplation vor“, fuhr Isokrates fort. „Deshalb habe
ich außer euch, meinen geschätzten Freunden aus Makedonien, keine weiteren
Gäste hinzugebeten. Ich hoffe, die Friedensverhandlungen verlaufen zur
gegenseitigen Zufriedenheit“, fügte er dann ein wenig sprunghaft hinzu. „Bedauerlich,
dass es zu diesem absolut unnötigen Krieg kommen musste, der uns das Leben von
nicht weniger als tausend Mitbürgern gekostet hat.“
Seine Gäste konnten ihm da nur zustimmen.
„Philipp steht nun am Ziel seiner Wünsche und hat die historische
Chance, Vergeltung zu üben für die Untaten der Barbaren und so in die
Geschichte einzugehen.“
Alexander äußerte sich in dem Sinne, dass auch Isokrates
selbst am Ziel seiner Wünsche stehe, einem Ziel, auf das er sein ganzes Leben
lang hingearbeitet habe.
„Das ist zweifelsohne richtig“, stimmte Isokrates zu. „Ich
bin aufgewachsen in der Zeit des großen Krieges zwischen Athen und den Sparta,
in den fast alle Staaten Griechenlands hineingezogen wurden. Ich musste mit
ansehen, wie unser schönes und freiheitsliebendes Land verwüstet wurde, zur
Freude des persischen Erbfeinds. Meine geliebte Heimatstadt, die Quelle aller
höheren Kultur und menschlichen Größe, wurde in diesen Kämpfen zugrunde
gerichtet.“
Isokrates nahm einen Schluck aus seinem Becher und gab sich
seinen Erinnerungen hin.
„Als junger Mann war ich dabei, als mein Lehrer, der berühmte
Redner Gorgias, die Griechen bei den Olympischen Spielen aufrief, untereinander
Frieden zu schließen und sich stattdessen gegen unseren natürlichen Feind zu
wenden, die Barbaren in Asien. Leider war sein Appell vergeblich, und ich
beschloss, mein Leben dem gleichen hehren Ziel zu widmen. Bald wurde mir klar,
dass es nur einer starken Persönlichkeit gelingen konnte, meine heillos
zerstrittenen Landsleute zu einen. Während meines langen Lebens sah ich viele
bedeutende Männer kommen und gehen, aber keiner besaß das erforderliche Format.
Dann betrat Philipp die Bühne, und ich wusste sofort, dass er der Richtige war.
Deshalb richtete ich an ihn vor acht Jahren mein berühmtes Sendschreiben, das
ihr ohne Zweifel alle gelesen habt.“
„Selbstverständlich“, versicherte Alexander und musste dabei
nicht einmal lügen. „Und du hast recht behalten! Sicher freust du dich darauf,
wenn mein Vater und ich deinen Traum wahr machen werden.“
Ein Schimmer von Abgeklärtheit verbreitete sich über Isokrates’
Gesicht. „Wer weiß, ob ich das noch erleben werde! Immerhin bin ich schon
achtundneunzig und damit allmählich ein alter Mann.“ Das allerdings war stark
untertrieben.
„Aber du bist doch erstaunlich rüstig für dein Alter und erfreust
dich, soweit ich sehen kann, bester Gesundheit?“, fragte Alkimachos überrascht.
„Ich habe ein langes Leben gehabt und für meinen Geschmack
genug erlebt. Und die Beschwernisse des Alters können einem das Dasein
vergällen. Meine Augen werden immer schlechter, mein Rücken tut weh, die Gelenke
werden steif, ich schlafe schlecht, das Essen schmeckt nicht mehr so wie
früher. Junge Leute wie ihr können sich nicht vorstellen, wie unerfreulich das
Alter sein kann.“
Antipatros, selbst schon über sechzig, verkniff sich mit
Mühe ein Grinsen.
Plötzlich beugte Isokrates sich vor und langte unter seine
Kline, öffnete einen Kasten, der dort unten bereitstand, und fischte eine
Schriftrolle heraus. Alles in allem eine bemerkenswerte gymnastische Übung für
einen fast Hundertjährigen, der sich gerade über seine körperlichen Gebrechen beklagt
hatte.
Isokrates überreichte die Rolle Alexander. „Ein Brief an deinen
Vater, mit meinen Glückwünschen zu seinem Sieg bei Chaironeia sowie einigen
Anregungen zu dem geplanten
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