Eine Krone für Alexander (German Edition)
fühlte. Er konnte es kaum erwarten, dass sie sich in den
bevorstehenden Kämpfen bewährte.
Perdikkas, der an diesem Abend Wachdienst hatte, riss gerade
einen einfach gestrickten Witz auf Kosten der Illyrer, als sein jüngerer Bruder
Alketas ihnen im Laufschritt entgegenkam. Alexander kannte den Jungen gut aus
seiner Zeit in Mieza, er war im Jahrgang unter ihm gewesen.
„Was ist los, Alketas?“, fragte er und schenkte Alketas ein
kameradschaftliches Grinsen, doch der schielte nur nervös zu seinem Bruder.
„Raus mit der Sprache“, sagte Perdikkas.
„Es ist wegen Pausanias“, erklärte Alketas außer Atem. „Ich
glaube, er dreht durch. Er hat Streit mit Pausanias angefangen, ich meine, mit
dem anderem Pausanias.“
Alketas und Pausanias, Philipps Verflossener, waren nicht
nur enge Freunde aus ihrer gemeinsamen Zeit bei den Königsjungen, sondern
stammten auch beide aus Orestis, und unter den Hochländern bedeutete die
Stammeszugehörigkeit immer noch viel. Verständlich also, dass Alketas seinen
älteren Bruder alarmierte, wenn ein Landsmann von ihnen im Begriff stand, sich
in Schwierigkeiten zu bringen.
Zu dritt machten sie sich auf den Weg. Schon von Weitem
waren Geschrei und feindseliges Gelächter zu hören. Zwischen den Zelten hatte
sich ein Auflauf gebildet. Alexander und seine beiden Begleiter kämpften sich
durch die Menge zum Zentrum des Geschehens vor. Sie bekamen gerade noch mit,
wie Pausanias etwas brüllte, in dem die Wörter „Strichjunge“ und „herumhuren“
vorkamen. Sein Gesicht war tiefrot angelaufen und von Wut verzerrt. Obwohl die
Offiziere darauf achteten, dass es während des Feldzugs niemand mit dem Wein
übertrieb, war es ihm irgendwie gelungen, sich einen Rausch zuzulegen. Auf der
anderen Seite des Auflaufs befand sich das Objekt seiner Schmähungen, der
jüngere Pausanias, offenbar in nüchternem Zustand, aber auch er von einem Trupp
streitlustiger Freunde umringt.
„Du hast es gerade nötig!“, brüllte er zurück, „Du bist doch
nur eifersüchtig, weil der König nichts mehr von dir wissen will!“
„Du Dreckskerl, du hast dich an ihn rangeschmissen wie eine
Hure! Du treibst es doch mit jedem, der dir Avancen macht!“
„Warum verschwindest du nicht und schläfst deinen Rausch
aus? Kein Wunder, dass der König dich satthat! Reiß dich zusammen und trag es
wie ein Mann!“
Einer seiner Freunde brüllte: „Ja, du führst dich auf wie
ein eifersüchtiges Weib!“
Aus der gegnerischen Gruppe schollen Beleidigungen zurück.
Der ältere Pausanias machte Anstalten, sich auf seinen Gegner zu stürzen, doch
die vernünftigeren unter seinen Freunden packten ihn an den Armen und hielten
ihn zurück. Er wand sich in ihrem Griff und brüllte: „Wie ein Mann? Du hast
doch keine Ahnung, was ein Mann ist! Hast du statt einem Sack ein Loch zwischen
den Beinen, oder warum ist der König so scharf auf dich?“
Jetzt verlor auch der jüngere Pausanias die Beherrschung. Er
riss seinen Dolch aus der Scheide und stürzte mit Gebrüll auf seinen Gegner zu,
so schnell, dass seine überraschten Freunde keine Chance hatten, ihn
aufzuhalten. Der ältere Pausanias versuchte unterdessen, sich aus dem Griff
seiner Freunde zu befreien. Ein paar Vernünftige traten dazwischen, und das
verschaffte den Freunden des jüngeren Pausanias Zeit, ihn einzuholen und
festzuhalten.
Trotzdem war es nur eine Frage der Zeit, bis die aufgeheizte
Stimmung sich entladen und die gegnerischen Parteien übereinander herfallen
würden. Alexander trat in die Mitte und hob den Arm. Die meisten Anwesenden
erkannten ihn sofort, andere brauchten in der Aufregung etwas länger. Bisher
war es nur eine gewöhnliche Streiterei gewesen, verboten natürlich, aber eben
nichts Ungewöhnliches. Jetzt dämmerte ihnen, dass die Angelegenheit gerade
offiziell geworden war. Nach und nach wurde es still, bis schließlich kaum noch
ein Laut zu hören war.
„Schluss mit dem Unsinn!“, rief Alexander in die Stille
hinein. „Euer Verhalten ist eine Schande für die ganze Armee, schlimmer noch,
es grenzt an Meuterei! Schafft die beiden Idioten weg und lasst sie sich
abkühlen! Alle anderen verziehen sich in ihre Unterkünfte. Perdikkas, hol die
Lagerwachen! Wer gleich noch außerhalb der Zelte angetroffen wird, wird festgenommen!“
Augenblicklich begann die Menge, sich zu zerstreuen, während
die beiden Streithähne von ihren jeweiligen Freunden in verschiedene Richtungen
davongeschleppt wurden.
„Alketas“, rief Alexander, als
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