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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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ich?“, fragte Thessalos, als er nach seinem Vortrag
wieder Platz nahm.
    „Sehr überzeugend“, lobte Alexander. „Mir hat am besten die
Szene gefallen, in der Achilleus versucht, Iphigenies Leben zu retten.“
    „Klar! Dein Lieblingsheld als Beschützer von Frauen in Not“,
spöttelte Nearchos, und die anderen lachten gutmütig über Alexanders
Achilleus-Manie.
    Ptolemaios klopfte Thessalos anerkennend auf die Schulter.
„Ich fand dich überhaupt sehr überzeugend. Wenn man dir zuhört, würde man am
liebsten alles liegen und stehen lassen, um sofort gegen die Perser zu ziehen.“
    „Nichts gegen Thessalos’ Schauspielkünste“, meinte Harpalos
dagegen, „aber ich fand schon immer, dass Euripides in der Iphigenie verdammt dick aufgetragen hat. Soll man wirklich glauben, dass dieses
unschuldige Mädchen sich mit Freuden auf dem Altar hinschlachten lässt, nur
damit ihr Vater und die anderen Griechen in diesen blödsinnigen Krieg ziehen können?“
    „Blödsinnig?“, fragte Laomedon hitzig. „Im Trojanischen
Krieg ging es immerhin um die Freiheit der Griechen!“
    „Quatsch! Es ging um eine Frau, die ihrem Mann durchgebrannt
ist. Sie wird ihre Gründe gehabt haben. Was soll das mit der Freiheit der Griechen
zu tun haben?“
    „Hast du nicht zugehört? Die Trojaner stehen für die Perser,
und Iphigenie ist eine Patriotin, die bereit ist, ihr Leben für ihr Vaterland
zu opfern.“
    „Auf Euripides, den patriotischen Dichter!“, brüllte
Proteas, der sich zwar weder für Literatur im Allgemeinen noch für Euripides im
Besonderen interessierte, aber jede Gelegenheit nutzte, einen Trinkspruch
anzubringen. „Und auf Thessalos, den patriotischen Schauspieler!“
    Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, fuhr Laomedon fort: „Auf
jeden Fall sagt Euripides das Gleiche, was wir in Mieza gelernt haben. Ich
glaube, Aristoteles hat damals sogar wörtlich eine Passage aus der Iphigenie zitiert: Es ist Recht, wenn
Griechen über Barbaren herrschen, aber nicht umgekehrt. Denn die Griechen sind
von Natur aus frei, die Barbaren aber von Natur aus Sklaven. Oder so
ähnlich.“
    „Wenn Thessalos es vorträgt, klingt es um Längen besser“,
meinte Philotas.
    „Ich bin froh, wenn wir hier wegkommen“, sagte Alexander.
    Der König war endlich in Lynkestis eingetroffen, und die
Truppen, die Alexander und Attalos hier zusammengezogen hatten, machten sich
zum Abmarsch bereit. An diesem Abend hatten sie zu dritt die letzten Einzelheiten
besprochen, dann hatte der König den Offizier verabschiedet, um mit seinem Sohn
noch ein wenig weiterzutrinken. Attalos hatte sich mit enttäuschter Miene
zurückgezogen.
    „Du kannst es wohl nicht erwarten, dich wieder mit Ruhm zu
bedecken?“, frotzelte Philipp.
    „Darauf könnte ich notfalls verzichten, aber in Lynkestis
halte ich es definitiv nicht länger aus“, antwortete Alexander und machte eine
vielsagende Geste. Die Räumlichkeiten, die man für den König reserviert hatte,
waren ebenso einfach wie beengt, wie der ganze sogenannte Palast. Der Boden
bestand aus gestampftem Lehm, die Wände aus schlecht verputztem Mauerwerk,
Türen und Fensterläden aus rohem Holz, das vom Alter verzogen war. Der Wind
fegte durch alle Ecken und Ritzen. Statt Teppichen schmückten ein paar
Tierfelle den Boden, die so eingestaubt waren, als seien ihre unglückseligen
Träger zur Zeit Alexanders des Griechenfreundes zur Strecke gebracht worden.
„Die ganze Atmosphäre hier ist unheimlich.“
    „Stimmt“, gab Philipp zu. „Es ist, als ob hier der Geist
deiner Großmutter herumspukt. Kein Wunder, dass sie so geworden ist, wie sie
war, wenn sie in diesem Loch aufwachsen musste.“
    Alexander widmete sich seinem Weinbecher. Dies war eine der
längsten Einlassungen, die er je aus dem Mund seines Vaters über dessen Mutter
gehört hatte. „Es ist nicht nur die Atmosphäre. Ich traue Arrhabaios und Heromenes
nicht über den Weg. Die beiden sind so undurchsichtig wie eine Gesandtschaft
des Großkönigs, nur nicht so höflich, besonders Arrhabaios nicht. Er redet
ständig über die guten alten Zeiten, als Lynkestis noch ein selbstständiges
Königreich war. Und dass seine Familie mindestens so vornehm ist wie wir
Argeaden.“
    „Sicher“, bemerkte Philipp trocken, „und eigentlich steht
die Herrschaft über Makedonien ihnen zu und nicht uns. Eurydikas alte Leier.“
    „Jedenfalls werde ich den Verdacht nicht los, dass sie irgendwelche
dubiosen Absichten verfolgen, indem sie uns in diesen Krieg gegen

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