Eine Krone für Alexander (German Edition)
„Den Namen
Myrtale verlieh man mir, als ich in die Mysterien der Großen Götter eingeweiht
wurde. Erst nach deiner Geburt nannte ich mich Olympias. Philipp bildete sich
ein, es sei wegen seines läppischen Sieges in Olympia, aber dir ist natürlich
klar, warum ich es tat.“
„Ich nehme an, den peinlichen Vorfall mit dem goldenen Kranz
für Pausanias habe ich ebenfalls dir zu verdanken.“
Sie antwortete nicht, doch das verzerrte Lächeln im Spiegel
intensivierte sich. Ihre Hand spielte mit dem Kopfschmuck.
Er riss ihn ihr aus der Hand und warf ihn auf den Tisch.
„Bist du verrückt geworden? Hast du kein Gefühl für Anstand?“
„Anstand?“ Olympias drehte den Kopf und sah zu ihm auf. Nun,
wo sie ihm endlich ihr Gesicht zuwandte, konnte er sehen, dass ihre Augen
schwarz waren wie Tinte. „Ich habe diesen Mann zwanzig Jahre lang gehasst! Er
hat mich gedemütigt, wo er nur konnte. All die Frauen, die er mir vorgezogen
hat, mir, der Tochter und Enkelin von Königen, der Nachfahrin der größten
Helden Griechenlands! Ich bin froh, dass er tot ist! Soll ich so tun, als ob
ich um ihn trauere? Ich pfeife auf deinen Anstand!“ Sie war aufgestanden, und
während sie sprach, war ihre Stimme immer lauter geworden, bis sie aus voller
Kehle schrie.
Er schrie nun ebenfalls. „Wenn dir egal ist, was die Leute
von dir denken, dann denke doch mal an mich! Merkst du nicht, wie sehr du mir
schadest?“
Von einem Augenblick zum anderen wurde sie völlig ruhig.
„Wegen dem Dolch und dem Kranz? Niemand weiß, dass ich dahinterstecke.“
„Wenn ich es herausbekommen habe, können andere es auch.
Antipatros zum Beispiel wusste Bescheid, obwohl er nichts gesagt hat, doch ich
konnte es in seinem Gesicht lesen. Morgen findet die Heeresversammlung statt.
Das Letzte, was ich jetzt brauchen kann, sind Gerüchte, meine Mutter sei in den
Mordanschlag auf meinem Vater verwickelt.“
Sie zuckte mit den Achseln und wollte an ihm vorbeigehen.
„Das ist Unsinn.“
„Wirklich?“ Er packte sie am Arm und hielt sie fest. „Was
hattest du mit Pausanias zu schaffen?“
„Nichts!“ Sie versuchte, ihm seinen Arm zu entwinden, doch
er hielt ihn mit eisernem Griff fest.
„Ich selbst habe ihn aus deinen Räumen kommen sehen. Jemand
muss ihm geholfen haben. Warst du es? Sag mir die Wahrheit!“ Sie wand sich
unter seinem Griff, und er begann, sie unsanft zu schütteln. „Hast du ihn gegen
Philipp aufgehetzt?“
„Niemand musste Pausanias aufhetzen. Er hatte Grund genug
für seinen Hass.“
„Oder hat er dir von seinem Plan erzählt? Wusstest du, was
er vorhatte?“
„Nein. Er kam nur, um mich als seine Königin zu ehren. Warum
fragst du mich nach Pausanias? Du warst es doch, von dem er so
hingerissen war. Ich habe mit ihm und seiner Tat nicht mehr und nicht weniger
zu schaffen als du!“
Er ließ sie los. Sie stolperte ein paar Schritte zurück und
rieb sich den Oberarm. „Statt hier hereinzustürmen und mit haltlosen
Verdächtigungen um dich zu werfen, solltest du dir lieber Gedanken machen, wie
du dich möglichst schnell zum König ausrufen lässt. Denn wenn es dir nicht bald
gelingt, sind wir alle tot.“
„Schön, dass du das verstanden hast“, erwiderte er kalt.
„So viel wie du oder der neunmalkluge Antipatros verstehe
ich schon lange! Worauf wartest du noch? Lass Kleopatra und ihr Kind umbringen,
und ebenso Philinnas schwachsinnigen Bastard und vor allem Amyntas und seine
Familie.“
„Wenn es nach dir geht, soll ich meine ganze Familie auslöschen.“
„Könige haben keine Familie.“
Kleopatra
stand an der Treppe, die von den Wohnbereichen im ersten Stock hinunter zu den
Repräsentationsräumen im Erdgeschoss führte. Sie war in ihren Schleier gehüllt
und wurde von zwei Frauen begleitet, die in einiger Entfernung von ihr warteten.
„Amyntas hat vor, in der Heeresversammlung Anspruch auf den
Thron zu erheben“, sagte sie.
Alexander hatte den Kopf voll mit anderen Dingen. Abwesend
erwiderte er: „Ich weiß.“
„Er wird sich darauf berufen, dass er früher schon einmal
König war, dass Vater ihn vom Thron gedrängt hat und dass es deshalb nur
gerecht wäre, wenn er ...“
„Damit habe ich gerechnet.“
„Gut, dass du auch ohne mich alles weißt“, sagte sie bitter.
Zum ersten Mal sah er ihr bewusst ins Gesicht. Ihre Augen
waren gerötet und von Schatten umgeben. Sie sah ganz und gar nicht aus wie die
glückliche Braut, die sie gestern noch gewesen war. „Entschuldige, ich wollte
nicht
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