Eine Krone für Alexander (German Edition)
kleine
dorische Tempel gestaltet waren. Die Falttüren, hinter denen sich die Fächer
mit den Buchrollen befanden, waren geschlossen. Die beiden Männer setzten sich
an den Lesetisch in der Mitte.
„Amyntas sammelt ebenfalls Anhänger“, erstattete Antipatros
Bericht. „Arrhabaios und Heromenes sind bei ihm und versuchen, die Leute gegen
dich aufzuhetzen. Dagegen sind Attalos’ Anhänger bislang noch nicht in
Erscheinung getreten. Sie haben keinen Thronanwärter mehr, den sie präsentieren
könnten, und er selbst ist weit weg in Asien. Sogar für ihn ist die Entfernung
zu groß, um sein Gift zu verspritzen. Vielleicht werden seine Leute sich auf
Amyntas’ Seite schlagen.“ Antipatros runzelte besorgt die Stirn. „Viel wird
morgen von Parmenions Familie abhängen. Bist du sicher, dass du dich auf seine
Söhne verlassen kannst?“
Parmenion war nicht nur Philipps fähigster Heerführer, sondern
auch einer seiner ältesten Freunde und neben Antipatros der einflussreichste
Würdenträger im Reich. Da er sich in Asien befand, konnte er sein Gewicht nicht
in die Waagschale werfen, doch die Mitglieder seines reich verzweigten Clans
würden es an seiner Stelle tun. Gleich am Morgen waren sie geschlossen erschienen
und hatten Alexander ihr Beileid ausgesprochen.
„Ich bin mit Parmenions Söhnen seit meiner Kindheit
befreundet“, sagte Alexander, „besonders mit Hektor, aber auch mit Philotas.
Nikanor kenne ich allerdings nicht so gut.“
„Ich weiß“, sagte Antipatros, mit dessen Sohn Kassandros
Alexander definitiv nicht befreundet war.
„Andererseits ist Philotas auch ein enger Freund von Amyntas.“
Ein ungutes Gefühl stieg in Alexander auf, wenn er an
Philotas’ undurchsichtige Rolle in der Pixodaros-Affäre dachte. „Bevor
Parmenion nach Asien aufgebrochen ist, hat er mir seine Unterstützung
versprochen, und Philotas war bei dem Gespräch dabei. Das muss reichen.“
Alexander gab Antipatros einen detaillierten Überblick, wer ihm sonst noch
Unterstützung zugesagt hatte.
„Klingt gut.“ Obwohl Antipatros eigentlich hätte zufrieden
sein sollen, spürte Alexander, dass ihm etwas Sorgen bereitete. „Da ist noch
etwas anderes, worüber ich mit dir sprechen muss.“
Er reichte Alexander einen Gegenstand über den Tisch. Es war
ein keltischer Dolch. Der Griff lief in den Kopf eines Tieres mit weit
aufgerissenem Fängen aus, vielleicht eines Löwen. Alexander wusste sofort, wo
er die Waffe bereits gesehen hatte: beim ersten Mal an Pausanias’ Gürtel und
dann wieder im Theater, als er sich über seinen sterbenden Vater gebeugt hatte.
Er sah auf. „Was ist damit?“
„Dieser Dolch wurde heute Morgen im Tempel des Apollon
niedergelegt, als Weihegabe für den Gott.“
„Der Dolch, mit dem mein Vater ermordet wurde?“
Antipatros’ Miene war undurchdringlich. „Er wurde unter dem
Namen Myrtale geweiht.“
Alexander sagte nur: „Ich werde mich darum kümmern.“
„Schön, dass du doch noch Zeit findest, deine Mutter zu
besuchen“, sagte Olympias. „Aber ich nehme an, du bist in diesen Tagen sehr beschäftigt.“
Sie blickte in den Spiegel, den eine Dienerin vor ihr
Gesicht hielt, während eine andere sich mit ihrer Frisur abmühte. Auf dem Tisch
stand ein Schmuckkästchen mit offenem Deckel. Alexander warf den Dienerinnen
einen so eisigen Blick zu, dass sie fluchtartig den Raum verließen. Olympias
sah ihnen erstaunt nach, und er knallte den Dolch vor ihr auf den Tisch.
Sie warf nur kurz einen Blick darauf, dann hängte sie den
Spiegel in seinen Ständer und wandte sich wieder ihrem Spiegelbild zu, das sie
mehr zu interessieren schien. „Ein Geschenk für mich?“, fragte sie
gleichgültig.
„Versuche nicht, mich für dumm zu verkaufen! Dieser Dolch
wurde heute Morgen dem Apollon geweiht. Der Name der Stifterin ist Myrtale!“
Sie zog die Brauen hoch und nahm einen Kopfschmuck aus dem
Kästchen, ein filigranes Gebilde aus goldenen Ranken und Spiralen. Versuchsweise
hielt sie es an ihre Stirn. „Was hat das mit mir zu tun?“
„Die Priesterin aus Samothrake – erinnerst du dich? Sie nannte
dich Myrtale.“
Olympias ließ die Hände mit dem Schmuck sinken und lächelte
böse in ihr Spiegelbild. „Also bist du dahintergekommen.“ Ihre Stimme hatte
sich verändert, klang nicht mehr gelangweilt und oberflächlich, sondern kalt
und höhnisch. Sie sah ihn nicht an, er konnte ihr Gesicht nur im Spiegel sehen.
Auf der polierten Silberscheibe waren die Züge nur unscharf zu erkennen.
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