Eine Krone für Alexander (German Edition)
„Schade, dass ich nicht auch ihn erwischt
habe. Aber ich wusste, ich würde nur eine Gelegenheit haben. Ich habe mich für
die Hure entschieden.“
„Sie war keine Hure, sondern nur ein Mädchen, das Königin
spielen wollte.“
Sie stand ruckartig auf, sodass ihr Schmuck klirrte. „Ja,
und sie war verdammt gut darin. So gut, dass es uns allen fast das Leben
gekostet hätte.“
„Kleopatra war keine Gefahr mehr, und das Kind erst recht
nicht.“
„Wirklich nicht?“ Ihre Stimme klang zischend, immer noch
mehr wie die einer Schlange als die eines menschlichen Wesens. „Was, wenn sie
ihr Kind gegen einen Jungen ausgetauscht und ihn als Philipps Sohn ausgegeben
hätte? Attalos hätte ihn von Asien aus zum König ausgerufen, und ein
Bürgerkrieg wäre ausgebrochen. Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich von
dieser Gefahr befreit habe.“
„Dankbar? Ich habe Kleopatra meinen Schutz versprochen –
alle haben es gehört. Nun ist sie tot, und ich stehe vor aller Augen als Lügner
da. Deinetwegen beginne ich meine Herrschaft als Mörder von Frauen und Kindern.
Wofür also sollte ich dir dankbar sein?“
Sie warf den Kopf zurück, und wieder klirrte ihr Schmuck.
„Dafür, dass du König bist! Dafür, dass du noch lebst!“ Sie kam auf ihn zu, die
Hände zu Fäusten geballt; ihre Stimme war hart und schneidend. „Ja, ich habe Arrhidaios
verhext, er war Philipps ältester Sohn, und ohne mich wäre er jetzt an deiner
Stelle. Ja, ich habe auch Nikesipolis verhext, und sie starb, ehe sie einen
Sohn gebären konnte Das alles habe ich für dich getan! Wäre ich nicht gewesen, wärest du heute nicht König. Du wärest schon vor Jahren
in einer Abfallgrube vermodert.“
Sie stand vor ihm und starrte hinauf in sein Gesicht. Wieder
machte er einen Schritt nach hinten. „Was immer du getan hast: Du hast es für
dich selbst getan! Ich war für dich nur ein Mittel, um deine Eitelkeit und Machtgier
zu befriedigen.“
„Du weißt, dass das nicht wahr ist!“
Er machte ein paar Schritte zur Seite, ohne Ziel, nur um aus
ihrer Nähe zu kommen, und fand sich plötzlich am Fenster wieder. Er schob den
hölzernen Laden zur Seite und sah in das sonnendurchflutete Peristyl hinaus wie
in eine andere Welt. Das strahlende Licht erinnerte ihn an eine schönere Zeit,
eine Zeit, in der das Leben noch einfach gewesen war.
„Als ich ein Kind war, glaubte ich, du seiest eine Göttin.
Wie Thetis, die aus dem Meer steigt, strahlend und schön und voller Wärme.
Später sagte man mir, meine Mutter sei eine Hexe und Giftmischerin. Immer habe
ich dich verteidigt, nie wollte ich glauben, was man über dich sagte. Jetzt
weiß ich, dass es die Wahrheit war.“ Er dachte an das blutverschmierte Bündel,
das er in den Händen gehalten hatte. „Wie konntest du das tun?“, flüsterte er.
„Ich habe es für dich getan.“ Er spürte mehr als dass er es
sah, dass sie hinter ihm stand und die Hand ausstreckte, aber nicht wagte, ihn
zu berühren. Er reagierte nicht, und so standen sie eine lange Zeit reglos und
schweigend am Fenster. Schließlich sagte sie mit brüchiger Stimme: „Ich wusste
immer, dass du mich eines Tages hassen würdest.“
Er drehte sich endlich um und sah sie mit gesenktem Kopf vor
sich stehen, und plötzlich sah er sie, wie sie als alte Frau sein würde,
einsam, erschöpft, bitter. Es berührte ihn nicht. „Diesmal bist du zu weit gegangen.“
An der Tür sah er noch einmal zu ihr zurück. Er holte zum
letzten Schlag aus.
„Alles, was ich habe und bin, verdanke ich nur Philipp. Ihm.
Nicht dir.“
Antipatros hatte ihn schließlich doch noch aufgespürt. Als Hephaistion
den alten Mann in der Tür zu der engen, muffigen Soldatenunterkunft stehen sah,
die er mit einem Kameraden teilte, stand er auf und verließ den Raum ohne ein
Wort. Antipatros setzte sich Alexander gegenüber auf die harte Pritsche, wem
auch immer sie gehören mochte.
„Hippostratos ist verschwunden. Vermutlich befindet er sich
auf dem Weg nach Asien, um seinem Onkel die Nachricht zu überbringen.“
Alexander erwiderte nichts, sondern starrte weiter vor sich
hin.
Antipatros fuhr fort: „Jetzt, wo Kleopatra und ihr Kind tot
sind, wird es viel schwieriger werden, eine Lösung wegen Attalos zu finden. Er
muss nun keinerlei Rücksichten mehr nehmen. Bedauerlich, dass deine Mutter uns
in ihrer Rachsucht das einzige Druckmittel genommen hat, das wir hatten.“
„Das weiß ich selbst“, sagte Alexander. „Du brauchst es mir
nicht zu
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