Eine Krone für Alexander (German Edition)
gebannt. Sein Nachfolger, ein gerade mal zwanzigjähriger Junge (wie
war sein Name noch mal? Alexander?), werde vollauf damit ausgelastet sein, sich
auf dem Thron zu halten. In absehbarer Zeit werde er sich nicht aus Pella
wegrühren.
„Was hast du erwartet?“, fragte Aristoteles, als Alexander
sich bei ihm über die Griechen beschwerte. „Du weißt so gut wie ich, dass sich
die Stadtstaaten Philipps Bündnissystem nicht aus Überzeugung angeschlossen
haben, sondern weil er sie dazu gezwungen hat.“
„Ich werde den Griechen schnell klarmachen, dass sich durch
seinen Tod nicht das Geringste geändert hat.“
„Verzeihung, aber tatsächlich hat sich eine Menge geändert.
Was Philipp erreicht hat, hat er allein durch die Macht seiner Persönlichkeit
erreicht …“
„Und durch seine Armee!“
„… das auch, aber vor allem durch seine Persönlichkeit.
Durch seine Beharrlichkeit und Schlauheit, durch sein Gespür für den richtigen
Zeitpunkt und die Stimmungen der Menschen. Du kannst auf dem aufbauen, was er
geschaffen hat, aber geschenkt wird dir nichts.“
„Das erwarte ich auch nicht.“
„Ich fürchte, doch. Du erwartest, dass die Griechen Philipps
zwanzigjährigem Sohn den gleichen Respekt erweisen wie ihm selbst. Dabei
dürftest du in deinem Alter in den meisten griechischen Staaten nicht einmal
deine Stimme in der Volksversammlung abgeben.“ Der Philosoph seufzte. „Ich
weiß, du hörst es nicht gern, aber den Respekt, den dein Vater genossen hat,
musst du dir erst verdienen. Philipp brauchte dazu ein ganzes Leben. Du kannst
nicht erwarten, dass dir alles in den Schoß fällt.“
„Ich werde den Griechen beweisen, dass ich den gleichen
Respekt verdiene wie mein Vater“, presste Alexander zwischen den Zähnen hervor.
„Ich bin sicher, das wirst du, aber das braucht Zeit. Und
bis dahin darfst du dich nicht wundern, wenn die Griechen die Gelegenheit
nutzen wollen, die verhasste Fremdherrschaft abzuschütteln.“
„Fremdherrschaft?“ Alexander war empört. „Wir Makedonen sind
keine Fremden, wir sind genauso Griechen wie alle anderen, nur nicht so
zerstritten und degeneriert! Mein Vater war kein Tyrann, er hat die Griechen
vielmehr geeint und ihnen endlich Frieden gebracht. Er wollte auch ihre Landsleute
in Asien befreien und Vergeltung üben für die Verwüstungen, die die Perser
einst im Griechenland angerichtet haben. Und nun feiern die Griechen seinen Tod
wie ein Geschenk der Götter. Ich finde, sie sind eine undankbare Bande.“
„Man kann von den Menschen keine Dankbarkeit erwarten für
etwas, was ihnen aufgezwungen wird, so sinnvoll es auch sein mag“, erwiderte
Aristoteles. „Im Übrigen: Du und ich, wir beide wissen genau, dass all die
hehren Ziele, die du eben genannt hast, Philipp immer herzlich egal waren. Ihm
ging es einzig und allein um seine Macht.“ Aristoteles kniff die Augen zusammen
und musterte Alexander scharf. „Und du? Warum bist du so erpicht auf diesen
Feldzug in Asien? Willst du wirklich die Griechen dort von der Knechtschaft
befreien und die Perser für ihre Übeltaten bestrafen? Oder geht es dir nur um
dich selbst? Um deinen persönlichen Ruhm und darum, allen zu beweisen, dass du
verwirklichen kannst, was deinem Vater verwehrt war?“
„Warum fragst du mich das? Du warst es doch, der mir all
diese panhellenischen Ideen überhaupt erst vermittelt hat. Stellst du sie jetzt
etwa infrage?“
„Das habe ich nicht gesagt. Ich meinte nur: Man kann von
anderen keine Begeisterung einfordern für etwas, woran man selbst nicht
glaubt.“
Er lenkte das Viergespann aus der
Kurve auf die freie Bahn, dann zurrte er die Zügel an der Brüstung des
Wagenkorbs fest und sprang nach hinten ab. Mit dumpfem Aufprall landete er im
Staub der Rennbahn, kämpfte kurz um das Gleichgewicht und rannte dann weiter,
dem Wagen hinterher. Die Pferde waren gut trainiert, sie hielten die Richtung
auch ohne Lenker, zumindest, solange es geradeaus ging.
Alexander fand seinen Rhythmus und ließ sich langsam zurückfallen,
aber nicht zu weit. Bald wurde er wieder schneller, seine Beine trommelten auf
das Erdreich, seine Lungen füllten sich rhythmisch bis zum Bersten. Er spürte
den Wind in seinem Gesicht und hörte das Donnern der Hufe. Unaufhaltsam näherte
er sich dem Wagen. Schließlich kam das Geländer in seine Reichweite. Er benötigte
einen Augenblick, um sein Tempo an das des Gespanns anzupassen, dann griff er
nach dem Geländer und schwang sich mit einem Satz in den nach hinten
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